Reportage aus der Sperrzone

25 Jahre nach Tschernobyl

Der bisher größte atomare Unfall hat 1986 im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl stattgefunden. Eine Fläche drei Mal so groß wie Österreich wurde damals radioaktiv verseucht, vor allem in Weirußland und der Ukraine. Nicht alle diese Gebiete wurden wieder angesiedelt.

Mittagsjournal 14.03.2011

Untersuchungstag des Roten Kreuzes

Einmal im Jahr kommen Mitarbeiter des Roten Kreuzes in das Dorf Tschepovitschi und untersuchen die Bevölkerung. Tschepovitschi liegt am Rand der atomaren Sperrzone, etwa 100 Kilometer vom Atomkraftwerk Tschernobyl entfernt.

Schilddrüsenkrebs nach Strahlungen

Vor allem die Schilddrüse macht den Leuten hier zu schaffen. Fast alle haben Knoten oder andere Vorstufen von Krebs. Bei vielen mussten die Schilddrüsen bereits entfernt werden, erklärt die Ärztin Ljudmilla Chumenko: "Das ist alles verbunden mit der Strahlendosis, der sie unmittelbar nach dem Unfall ausgesetzt waren. Radioaktives Jod hat damals die Schilddrüsen angegriffen und die Folgen zeigen sich nur sehr langsam. Wir erwarten den Höhepunkt der Erkrankungen etwas mehr als 20 Jahre nach dem Unfall, das ist also jetzt aktuell."

Langzeitfolge von Radioaktivität

Nur eine Langzeitfolge von Radioaktivität ist wissenschaftlich anerkannt: Schilddrüsenkrebs, ausgelöst durch radioaktives Jod. Dabei ist Jod mit einer Halbwertszeit von acht Tagen das Element, das am schnellsten verschwindet. Radioaktives Cäsium hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren und bis das radioaktive Plutonium verschwunden ist werden mehrere hunderttausend Jahre vergehen.

Soldaten ohne Sicherheitskleidung

Genau diesen Stoffen, den sogenannten Liquidatoren, waren sie ausgesetzt: Die Soldaten, die die Trümmer des Unglücksreaktors aufräumen mussten. Oberst Nikolai Fedotovich war 1986 Kommandant der Aufräumtrupps. Aufgrund der Geheimhaltung wurden die Männer zu Beginn fast ohne Sicherheitskleidung auf das Gelände geschickt. "Nach nur einem Tag hatten sie alle roten Augen, so wie kranke Kaninchen und Geschwüre im Gesicht, es war furchtbar. Trotzdem mussten sie 16 Stunden am Tag arbeiten, das waren eben die militärischen Vorschriften."

500 von 700 Soldaten gestorben

700 Mann waren zu Beginn der Aufräumarbeiten unter seinem Kommando, erzählt Fedotov. Davon seien nur mehr 200 am Leben. Früher habe es noch regelmäßige Demonstrationen für bessere medizinische Unterstützung gegeben. Doch jetzt treffe man sich fast nur mehr auf Begräbnissen.

Häufiger Krankheiten

Sowohl die ukrainische als auch die weißrussische Regierung planen Teile der Sperrzonen wieder landwirtschaftlich zu nutzen. Denn die Folgen von dauernder radioaktiver Bestrahlung sein wissenschaftlich nur schwer zu erfassen erklärt die Ärztin Ljudmilla Chumenko: "Bei den Frauen gibt es zum Beispiel viele gynäkologische Probleme. Aber es ist nicht klar, womit das zusammenhängt. Das Immunsystem ist schwächer, die Menschen ermüden schneller, es gibt viel mehr Zuckerkrankheit und auch andere Krankheiten treten öfter und stärker auf als normal."

Kranke Menschen um die Sperrzone

Kinder mit Gendefekten und Behinderungen aufgrund der radioaktiven Strahlen gebe es in der Region keine, heißt es vom Roten Kreuz. Wirklich gesund seien in der Gegend um die Sperrzone aber nur die Wenigsten.