Auf den Spuren eines amerikanischen Phänomens
The Grateful Dead
The Grateful Dead begeisterten ihre Fans 30 Jahre lang mit unvergleichlichen Konzerten. Warum begleiteten Tausende ihrer Anhänger sie auf ihre Tourneen und lebten wie in einem Kult? Was machte den Reiz ihrer Konzerte aus?
8. April 2017, 21:58
The Grateful Dead - schon der Name ist Legende. Wer sich einen solchen Namen ausdenkt, muss gute Gründe dafür haben. In diesem Fall kam die Inspiration aus der Suche nach dem Transzendentalen. Vermutlich stand den jungen Protagonisten der soeben gegründeten Country-Folk-Rock-Formation im San Francisco des Jahres 1965 bei der Wahl des Bandnamens der Titel des tibetanischen Totenbuchs Pate.
Dieses Werk, "The Tibetan Book of The Dead", galt als Bibel jener, die sich der Bewusstseinserweiterung verschrieben und zu deren besseren Erlangung psychedelische Substanzen einnahmen. Dazu gehörten mexikanisches Marihuana, Peyote, Mescalin und vor allem das zu jener Zeit noch legale LSD.
Zahlreiche Legenden, die sich um die Namenswahl ranken, favorisieren die Geschichte des Leadsängers, Gitarristen und Bandleaders Jerry Garcia, der in einem Wörterbuch nach dem Zufallsprinzip einen Namen sucht.
LSD aus dem Heimlabor
Im Jahr 1966 trafen die Grateful Dead ihren späteren Mentor, Tontechniker und LSD-Produzenten Augustus Owsley Stanley III, der für die Band ihr unvergleichliches Soundsystem entwickelte, den "Wall of Sound". Dafür waren hunderte Verstärker, Lautsprecher und Monitore vonnöten. Letztere waren eine Innovation von Owsley, die es den Musikern erstmals ermöglichte, sich auf der Bühne selbst zu hören.
Übersiedlung ins Zentrum des Summer of Love
1966 übersiedelten The Grateful Dead vom südlich der Stadt gelegenen Vorort Palo Alto nach San Francisco direkt ins Herz der Hippiekultur. Sie kauften ein Haus Ecke Haight und Ashbury Street, wo sie zusammen lebten und arbeiteten.
Bald war auch eine junge Frau ständig anwesend, denn Bandleader Jerry Garcia verliebte sich in die frühere Geliebte von Ken Kesey, die 19-jährige Carolyn Adams. Carolyn, deren Hippiename "Mountain Girl" war, zog mit ihrer kleinen Tochter in die Männer-WG.
The Grateful Dead als ur-amerikanisches Phänomen
1967-75 erlebte die Band ihre "Goldenen Jahre". Sie wurden die erfolgreichste Liveband der USA. Das besondere an ihrer Musik, dass sie Elemente alter Folk- und Countrytraditionen ebenso beinhaltete, wie ein Bekenntnis zur damals neuen, elektrisch verstärkten Rockmusik der Sechziger- und Siebzigerjahre, sprach Musikliebhaber aller Schichten, Ethnien und politischen Einstellungen an.
Ihre Musik spiegelt die amerikanische Gesellschaft wieder, in der bestimmte Stereotypen in allen neuen Strömungen enthalten sind. So wie eben auch die Hippies, die sich gegen das Establishment wandten, ein zutiefst amerikanisches Phänomen darstellten. Sie schöpften aus dem Kanon der amerikanischen Alltagskultur, fügten dieser etwas hinzu und identifizierten sich aber im Wesentlichen dennoch mit den Idealen ihrer Eltern und Großeltern: Patriotismus, erfolgreiches Leben, Selbstverwirklichung.
Legendäre Auftritte und deren Archivierung
Die Band und der "travelling circus" um sie glich phasenweise eher einem Kult als einer Fangemeinde. Im Laufe der 30 Jahre ihrer Karriere reisten tausende Fans - die sich selber "Dead Heads" nannten - mit der Band. Sie versuchten, jedes Konzert zu besuchen und sie nahmen zunächst verboten, später legal, die Auftritte auf.
Sehr bald entstand ein lebhafter Tauschhandel mit diesen unautorisierten Konzertmitschnitten. The Grateful Dead sind mit Sicherheit die am meisten diskutierte und am besten dokumentierte Band in der Geschichte der Rockmusik.
The Grateful Dead und das Internet
Anfang der Achtziger Jahre entwickelten ein paar Computerfreaks im Silicon Valley das, was später einmal das Internet werden sollte. Sehr früh schon entdeckten sie die Möglichkeit, e-Mails und Attachments zu verschicken. Da unter den Computertechnikern nicht wenige Deadheads waren, verlagerte sich der Tauschhandel zunehmend ins Internet.
Es wird vermutet, dass damals bis zu 70 Prozent der gesamten ausgetauschten Datenmengen Grateful-Dead-Musik war. Bis heute kann man ganze Konzerte gratis herunterladen.
Pech in Europa
1972 reisten die Grateful Dead durch Europa, wo sie ihre erste und einzige Auslandstournee absolvierten. Mit mangelndem Erfolg. 70 Prozent der Konzertbesucher waren mitreisende amerikanische Deadheads - in Europa wurde die Musik nicht wirklich verstanden.
Nach dem Tod von Bandleader Jerry Garcia
Jerry Garcia verstarb 1995. Dennoch geht die Tour weiter. Es entstanden verschiedene Nachfolgebands, die jüngste davon Furthur, in der noch zwei Gründungsmitglieder der Grateful Dead wirken: Bob Weir und Phil Lesh.
Furthur touren bis heute erfolgreich durch die USA. Außerdem entstand das Dark Star Orchestra, benannt nach einem legendären Song der Grateful Dead, "Dark Star". Diese Formation macht es sich zum Ziel, Grateful-Dead-Auftritte auf den Ton genau nachzuspielen.
Service
David G. Dodd, Diana Spaulding, "The Grateful Dead Reader", Oxford University Press
David Shenk, Steve Silberman, "Skeleton Key. A Dictionary For Deadheads", Main Street Books/Doubleday
Dennis McNally, "A Long Strange Trip: The Inside History of the Grateful Dead", Broadway
Joel Selvin, "Smart Ass, California Rock & Roll", Parthenon Books
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