Verfassung, Referendum, Gerichtsverfahren

Was kommt nach Gaddafi?

Exil-Libyer, die sich jahrelang in Italien versteckt haben, melden sich jetzt zu Wort. Einer von ihnen ist Farid Adly, ein Journalist, der auf Sizilien eine Nachrichtenagentur mit Schwerpunkt Arabien aufgebaut hat. Er zeigt im Ö1-Interview auch eine Perspektive auf, wie es nach Gaddafi weitergehen könnte.

Morgenjournal, 22.03.2011

Bomben gegen abtrünnige Städte

Farid Adly lebt seit langem in Sizilien. Er blieb nach dem Studium. Seine Freunde seien in den Gefängnissen Gaddafis gestorben, sagt der Journalist, der eine italienisch-arabische Nachrichtenagentur aufgebaut hat. Artikel über Libyen konnte er aber nur unter falschem Namen publizieren. Die Vorgänge in seinem Heimatland verfolgt Farid Adly minutiös: "In der Stadt Misurata gibt es seit einer Woche kein Wasser und seit circa zehn Tagen fehlt der Strom. Außerdem gehen Gaddafis Truppen mit großer Härte gegen die Städte in den westlichen Bergen vor. Diese haben sich vom Regime Gaddafis distanziert und die Übergangsregierung in Bengasi anerkannt. Jetzt sind sie schweren Bombardements ausgesetzt."

"Lügen sind Teil seines Wahnsinns"

Gaddafis Getreue seien zahlenmäßig nicht stark, aber hoch bezahlt und nach wie vor gut ausgerüstet. Gaddafi selbst sei ein notorischer Lügner, so Adly: "Das ist Teil seines Wahnsinns. Er sagt einerseits, er bekämpfe Al Kaida. Auf der anderen Seite spricht er wie Bin Laden. Denn er sagt, der Westen greife an, weil er den Islam ausrotten wolle. Er sagt auch, das ganze Volk sei mit ihm, aber dem ist nicht so."

Monarchisten, Islamisten, Sozialisten

Doch wer sind die anderen. Und vor allem wie groß ist die Opposition? Sie sei zahlenmäßig und inhaltlich breit gefächert, betont Adly: "Das Spektrum geht von den Monarchisten über moderate islamische Kräfte bis hin zu den Sozialisten. Der Kopf dieser Bewegung ist ein Richter. In der Übergangsregierung selbst sind Ärzte, Anwälte und Ingenieure. Sie wollen eine Verfassung und zuvor ein Referendum. Sprich: Am Ende sollte eine pluralistische Demokratie samt freien Wahlen stehen."

Demokratische Exilbewegung

Unterstützung erhalten diese Kräfte auch von Exillibyern. "Demokratische Republik Libyen" heißt die Bewegung, die am Wochenende auch in Italien eine Niederlassung gegründet hat. Adly: "Wir wollen die italienische, aber auch die internationale Diplomatie auffordern, die Übergangsregierung in Bengasi sofort anzuerkennen. Denn das ist das Libyen der Zukunft."

30 Prozent Arbeitslose

Das andere Libyen ist das der Familie Gaddafi. Auf rund 150 Milliarden Dollar dürfte sich deren Vermögen belaufen. Viele Libyer sind hingegen arm geblieben. "Ein Lehrer, der seit zwanzig Jahren unterrichtet, bekommt umgerechnet 170 Dollar. Wir haben eine Arbeitslosenrate der aktiven Bevölkerung von 30 Prozent. Und 20 Prozent der libyschen Familien leben unter der Armutsgrenze."

Gaddafi soll vor Gericht

Und was soll aus Gaddafi werden? "Wir wollen nicht, dass der Westen Gaddafi ermordet, wir möchten, dass Gaddafi angeklagt und vor einem Gericht gestellt wird. Nur so können kann die Wahrheit über 42 Jahre Diktatur ans Licht kommen."
Anders sei ein echter Neubeginn nicht möglich, meint der Exillibyer.

Morgenjournal, 22.03.2011

Angriffe gehen weiter

Die dritte Nacht in Folge haben Kampfflugzeuge der internationalen Streitmacht ihre Luftangriffe gegen Stellungen der Truppen von Machthaber Gaddafi fortgesetzt. Verschiedene Einrichtungen Gaddafis sollen getroffen worden sein. Der UNO-Sicherheitsrat lehnt einen Antrag Libyens auf eine Dringlichkeitssitzung ab.