Großbauten aus dem Nichts
Architektur in den Emiraten
Das Ö1 Kulturjournal hat im Rahmen einer von der Österreichischen Wirtschaftskammer organisierten Reise, bei der heimische Interior-Designer die Architektur am Golf besichtigten, nicht nur "The Pearl" besucht, sondern auch "The Palm" in Dubai.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 28.03.2011
2022 empfängt ein kleiner Wüstenstaat die Fußball-Welt. Bereits jetzt zeigt Katar mit einem Mega-Bauprojekt, dass man hier in der Lage ist, aus dem Nichts Großbauten zu stampfen. "The Pearl" heißt das Prestigeprojekt: Es ist eine vier Quadratkilometer große künstlich aufgeschüttete Insel im Persisch-Arabischen Golf, auf der eine Vielzahl von Luxushotels, Villen und Yachthäfen entstehen.
Zurzeit ist das Projekt bereits zur Hälfte fertig gestellt. Im Vorfeld der Fußball-WM sind noch eine Fülle weiterer Großprojekte geplant, auch damit Katar dem erwarteten starken Zuzug gewachsen ist.
80 Prozent Arbeitsmigranten
Schon jetzt sind in Katar - wie übrigens auch in den anderen Ländern der Vereinigten Arabischen Emirate - 80 Prozent der Bevölkerung Arbeitsmigranten, die keine Staatsbürgerschaft besitzen.
Wasser und grünes Gras
Ein Rasenmähergeräusch in der Wüste: Da könnte man an eine akustische Fata Morgana denken. Ist es aber nicht. Denn echte Luxusanmutung heißt hier: Wasser und grünes Gras. Wie Hisham Al Enbaby, der Chefarchitekt der Perle stolz erklärt, ist das hier das Prestigeprojekt am Golf-
Besser also als die "Palme", die in Dubai in original-Palmenform nun schon in der dritten Ausgabe gebaut wird. Während auf der "Palme" viele Luxushäuser gleich aussehen, sind sie auf der Perle in Katar individuell unterschiedlich. Aber auch hier ist die Architektur bizarr: Im sogenannten "mediterranen Stil" werden Architekturelemente aus Spanien, Italien, Marokko und Tunis bunt durcheinander gemischt.
Klein-Venedig
Als Teil dieses Architektur-Potpourris ist auch hier wieder ein Klein-Venedig entstanden. Um genau zu sein: Es ist das größte Venedig außerhalb Italiens. Die Wasserläufe heißen Canal, die Straßen Calle und wenn man um die Ecke biegt, kann es passieren, dass man plötzlich vor einer Rialtobrücke aus Beton steht. Etwas kleiner zwar, aber eindeutig Rialto.
Stolz erklärt der aus Italien kommende Architekt Amr Fikry, Entwerfer dieser Wunderwelt, dass der Organisator des Karnevals von Venedig hier gewesen sei und beteuert habe: Hier habe man genau dasselbe Gefühl wie in Venedig. Das sei für ihn das schönste Kompliment gewesen.
Allerneueste technische Standards
45.000 Menschen sollen auf dieser Insel leben, die alles zu bieten haben wird, was man sich wünscht: Man kann hier arbeiten, sich vergnügen, wohnen, es gibt Schulen und ein Krankenhaus. Autos kommen in die Tiefgarage, man geht zu Fuß oder fährt mit der Gondel. Auf die Frage, ob die Menschen, die man in den Emiraten bei 50 Grad im Schatten selten zu Fuß antrifft, denn hier wirklich zu Fuß gehen werden, meint Amr Fikry: Man adaptiere auch die Systeme, um die Luft im Freien kühlen zu können.
Denn "The Pearl", das "handmade island", wie es hier heißt, wurde binnen drei Jahren im Meer aufgeschüttet und entspricht den allerneuesten technischen Standards. Mit Hilfe internationaler Berater werden sogar die ökologischen Daten täglich überprüft, sodass man weltweit damit zufrieden sein wird, wie die Architekten beteuern. Auch wenn in Katar mit seinen überreichen Erdgasvorkommen Erdgas als Hauptenergiequelle verwendet wird.
Betonpfeiler zur Stabilisierung
Um das aufgeschüttete Land zu stabilisieren, hat man - auch das eigentlich nach venezianischem Vorbild - zahllose Pfeiler in den Boden gerammt, die hier aus Beton sind. Nachrichten von der "Palme" in Dubai, dass es ein täglicher Kampf sei, das Meer am erodieren der einzelnen Palmenwedel zu hindern, bezeichnet man hier als Unkenrufe.
Sicherheit ist eines der Wörter, das die Architekten am häufigsten verwenden: Der Boden sei so fest, dass man hier Bürotürme mit 40 Stockwerken bauen werde.
Videokameras omnipräsent
Sicherheiten werden den Superreichen auch in anderer Hinsicht geboten: überall gibt es Videokameras, die das Leben überwachen. Denn für Sicherheit sei diese Insel prädestiniert, zu der die Zufahrt nur auf einer einzigen Straße möglich ist. Es sind die Emire aus Dubai, Katar oder Saudi-Arabien, und ein paar Premieminister oder andere Reiche aus Europa, die hier wohnen oder wohnen werden - in Villen, die mit 700 Quadratmetern für hiesige Verhältnisse sehr klein sind. Groß sind sie mit 1.500 oder 2.000 Quadratmetern Wohnfläche.
Ähnliche Kubaturen bewohnt man auch auf der "Palme" in Dubai, die - wie die Errichter sagen in drei Tagen ausverkauft war. Eigenartig nur, dass bei einer Motorbootfahrt durch die "Palme" vor all diesen klotzigen Traumhäusern keine einzige Menschenseele zu sehen ist.
Stadien werden zum Teil wieder abgebaut
Doch, ein einsamer Paddler zeiht da seine Bahnen. Die einzige Erklärung: Diese Superreichen haben so viele Häuser, dass sie sie nur selten besuchen können. Das Lebensgefühl muss ein bisschen so sein, als lebe man in der Blauen Lagune, einer Open-Air-Ausstellung von Reihenhäusern in Vösendorf bei Wien. Nur dass die Häuser größer sind.
Zumindest die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 wird dann auch den sozialen Aspekt berücksichtigen: Von den zwölf geplanten Stadien werden vier abgebaut und in armen Ländern wieder aufgestellt.