Kampf der Lichtverschmutzung

Licht aus in New York

New York - besungen als die Stadt, die niemals schläft. Symbol dieser Schlaflosigkeit ist seit Jahrzehnten das Lichtermeer, das sich allabendlich über den Big Apple ergießt. Doch nun sagen immer mehr New Yorker ihrer glitzernden Skyline den Kampf an.

Es ist teuer, ständig die Lampen brennen zu lassen, schlecht für die Umwelt und den Sternenhimmel. Die Nacht soll wieder zur Nacht werden. Sogar die Besitzer einiger berühmter Wolkenkratzer machen mit.

Das Empire State Building in Farbe

Jake Nouel ist Chefelektriker des Empire State Building. Er muss dafür sorgen, dass das Wahrzeichen seiner Stadt jeden Abend in der richtigen Farbe erstrahlt. Ein harter Job, denn alles wird von Hand gemacht.

"Das Empire State Building wird von 186 Schweinwerfern angestrahlt, wir wechseln deren Farbfilter 133 Mal im Jahr", erzählt Nouel. "Jede Farbkombination symbolisiert einen bestimmten Anlass: Heute ist der Jahrestag des Lernen und Lehrens, deshalb wird die Fassade rot, blau und gelb leuchten!

Keine Sterne am Himmel

Empire, Chrysler, Time Warner, Woolworth Building: In New York gibt es an die 200 nächtens hell erleuchtete Wolkenkratzer. Und Alice betrachtet sie mit Skepsis. Die 29-Jährige lebt in einer kleinen Einzimmerwohnung in Midtown Manhattan. Viele beneiden sie um ihre Aussicht. Doch Alice hat Heimweh. Sie ist auf dem Land aufgewachsen. Jeder Blick nach draußen führt ihr vor Augen, was sie vermisst:

"Diese Stadt ist ein ganz schlimmer Fall von Lichtverschmutzung, es ist so hell hier, dass du noch nicht einmal mehr den Orion siehst, obwohl er das Dominanteste von allen Sternbildern ist. In Naturgebieten kannst du in dieser Konstellation bis zu 50 Sterne erkennen."

Alice gehört zu einer wachsenden Schar von New Yorkern, die die Nacht wieder zur Nacht machen wollen. Sie dreht ihre Lampen nur auf, wenn absolut nötig, benutzt ausschließlich 20-Watt-Birnen und sorgt dafür, dass deren Lichtkegel nie nach draußen scheinen. An diesem Abend ist Charles, ein Mitstreiter zu Besuch. Die beiden sitzen bei Kerzenlicht.

Licht-Falle für Vögel

Charles studiert Umweltwissenschaften an der New Yorker Columbia University. Die Stadt, die niemals schläft - diese Losung hat für ihn eine ganz eigene, negative Prägung: "Studien belegen: Nach nur 40 Minuten unter einer Glühbirne sinkt der Melatonin-Gehalt in deinem Körper um die Hälfte. Das ist schlecht für deinen Schlafrhythmus. Auch scheinen die Menschen eher an Brust- oder Prostatakrebs zu erkranken, wenn nachts beispielsweise die Lampen einer Tankstelle in ihr Schlafzimmer scheinen."

In seiner freien Zeit engagiert sich Charles für die Audabon Society. Diese gemeinnützige Organisation hat sich den gefiederten Einwohnern New Yorks verschrieben. Jedes Jahr sterben 90.000 Vögel, weil sie im grellen Licht der Megalopolis die Orientierung verlieren.

"Unsere Organisation klopft bei Geschäftsverbänden und bei der Stadt an, damit die ihre Nachtbeleuchtung reduzieren", erzählt Charles. "Oft sagen sie, dass Nachtbeleuchtungen nötig sind wegen der Sicherheit, aber das ist ein falsches Argument, denn grelle Lampen blenden nur, die dunklen Nebenräume werden dadurch schlechter erkennbar."

Schonzeit im Herbst

Erste Erfolge kann die Audubon Society schon vorweisen. New York soll jetzt wenigstens im Herbst bei Nacht etwas dunkler werden, dann nämlich wenn zahlreiche Zugvögel die Stadt überfliegen. Mehr als 50 Wolkenkratzer-Fassaden werden zu dieser Zeit nicht mehr angestrahlt. Auch das Empire State Building macht mit.

Chefelektriker Jake Nouel ist prinzipiell schon dafür, und doch weiß keiner besser als er, dass eine hell erleuchtete Großstadt seit jeher auch für Wohlstand, Dynamik und Kraft steht - selbst dann, wenn alle schlafen.

"Ich mache diesen Job seit 30 Jahren", sagt Nouel. "Für mich gibt es nichts Größeres, als hier raus auf die Terrasse zu kommen und die Lichter zu wechseln. Ich liebe die Mystik dieses Gebäudes, es ist einfach wunderbar."

Service

Audubon