"Tiere und Töne"
Donna Leons Buch über Händel
Die amerikanische Schriftstellerin Donna Leon ist bekannt als Krimiautorin und Händel-Liebhaberin. Ihr Komissar Brunetti ermittelt in Venedig, dem Wohnort der Schriftstellerin. Der Händel-Verehrung gilt ihr jüngstes Buch mit dem Titel "Tiere und Töne. Auf der Spurensuche in Händels Opern".
8. April 2017, 21:58
Auf einer beigelegten CD kann man die beschriebenen Arien auch nachhören.
Tiere als Sinnbilder
In zwölf Essays spürt die Schriftstellerin Donna Leon den Tierdarstellungen in Opern und Oratorien Georg Friedrich Händels nach. Die Darstellungen der Tiere sind geprägt durch Überlieferungen aus der Antike und dem Mittelalter. Dichter wie Plinius der Ältere oder Herodot beschreiben in der Antike die Lebewesen. Im Mittelalter lieferten sogenannte Bestiarien, also Tierdichtungen, Wissen über das Aussehen und das Leben verschiedenster Tiere.
Die Tiere werden dabei im Sinne der christlichen Heilslehre als Sinnbilder benutzt, um Laster und Tugenden zu beschreiben und damit die Menschen zu bekehren und zu läutern. Wer kennt sie nicht: Die listige Schlange, die fleißige Biene und die treue Turteltaube...
Illustrationen und Erläuterungen
Autorin Donna Leon weist die späte Rezeption dieser Topoi in ihrem 140 Seiten starken Büchlein "Tiere und Töne. Auf Spurensuche in Händels Opern" nach. Jedes Kapitel ist einem Tier gewidmet. Die naiv-idyllischen Bilder des deutschen Illustrators Michael Sowa stimmen auf den jeweiligen Essay ein. Dann folgen der Text der Arie und im Anschluß daran die Erläuterungen der Autorin.
Im Kapitel über den Elefanten erfährt der Leser etwa, wie ungenau die Informationen im Mittelalter über dieses Tier waren: Meist zeichnete man den Elefanten als gewaltigen Wolf oder als Schwein mit Stoßzähnen. In vielen Handschriften wird der Elefant als der einzige Vierfüßler beschrieben, der keine Knie hat. Die fehlenden Knie machen dem Elefanten zudem das Schlafen schwer. Er muss sich dazu an einen Baum lehnen, denn fällt er einmal um, können ihm nicht einmal zwölf ausgewachsene Elefanten wieder auf die Beine helfen.
Mythen über Löwen
Der Löwe hingegen gilt nicht nur als Inbegriff der Macht. Herodot glaubte, dass ein Löwenjunges die Gebärmutter der Löwin zerkratze und sie deshalb nur ein einziges Junges austrage. Plinius der Ältere hingegen erklärt, dass die Löwenjungen totgeboren und nach dem dritten Tag durch das Gebrüll des Vaters zum Leben erweckt werden.
In jedem der Essays, die sich unter anderem auch mit der Nachtigall, dem Nachtfalter und dem Phönix beschäftigen, geht Donna Leon auf die entsprechende Händel-Arie ein, beschreibt den Anlass der Arie und ergänzt Hintergründe zur Entstehungsgeschichte. Dabei wagt sich die Autorin auch auf musikwissenschaftliches Terrain.
Arien neu eingespielt
In dem Essay über die Turteltauben weist Leon darauf hin, dass sich die beiden Sopranstimmen etwa oft in parallelen Terzen vereinen, um die Eintracht der Liebenden auszudrücken. Die begleitenden Instrumente -zwei Oboen und Geigen- würden diese Eindruck noch unterstützen.
Und damit wären wir auch schon bei der Musik und der beigelegten CD. Die Idee zu diesem Buch ist bei einem Abendessen der Autorin mit dem amerikanischen Dirigenten Alan Curtis, der in Florenz lebt, und lange Jahre mit Donna Leon befreundet ist, entstanden. Er hat für diese CD - mit einer Ausnahme - alle Arien neu eingespielt. Es spielt das Orchester "Il complesso Barocco", die Solisten sind die Sopranistinnen Karina Gauvin und Ann Hallenberg, sowie die Tenöre Anicio Zorzi Giustiniani und Paul Agnew. Leider gibt es im Anhang keinerlei biografische Angaben zu den Sängern.
Es stellt sich die berechtigte Frage, warum man bei diesem Buchprojekt nicht dem Barock-Spezialisten Alan Curtis die Aufgabe übertragen hat, den musikwissenschaftlichen Part zu schreiben.
Holprige Übergänge
Apropos schreiben: Man würde sich von einer Krimiautorin auch einen etwas flüssiger zu lesenden Stil wünschen. Inwieweit die holprigen Übergänge in dem Buch "Tiere und Töne" bereits im englischen Original zu finden sind oder der Übersetzung ins Deutsche von Werner Schmitz angelastet werden können, lässt sich nicht sagen.
Manchmal stört jedenfalls der betulich-expertenhafte Tonfall Donna Leons. Manche Verweise wirken banal, wie etwa wie derjenige im Kapitel über den Hirsch. Dort erklärt uns die Autorin, dass der Topos des Hirsches heute noch in der Filmfigur des "Bambi" weiterlebe. "Bambi", so Donna Leon wörtlich, "ist heute ein Begriff der bekannt ist wie 'das weiße Haus' oder 'Pampers'".
Niedliche Tierbilder
Schade auch, dass die Autorin immer wieder von den kuriosen Abbildungen in den Bestiarien spricht, aber keine zu sehen sind! Anstatt einfach die fantasievoll gestalteten Elefanten der mittelalterlichen Schriften herzuzeigen, hat man Michael Sowa als Illustrator engagiert. Der Maler und Zeichner, der übrigens für sein "Prinz Tamino"-Buch den Berliner Kinderbuchpreis bekommen hat, steuert bunte, etwas zu niedliche Tierbilder bei.
Fazit: Donna Leons Intention, für die Musik Händels eine Lanze zu brechen, ist löblich. Allein die Umsetzung ist nicht überzeugend.
Service
Donna Leon, "Tiere und Töne. Auf Spurensuche in Händels Opern", ins Deutsche übertragen von Werner Schmitz, Diogenes