Kafka-Stück "Amerika" in Klagenfurt

Bernd Liepold-Mosser im Porträt

"Mein Schriftstellerkollege Bernd Liepold-Mosser stammt aus einem Drei-Länder-Eck, in seiner Seele sitzen ein Kärntner, ein Slowene und ein Italiener beisammen. (...) Ganz wenige machen aus dieser Mischkulanz, diesem schönen Durcheinander und Nebeneinander, Literatur." Das sagt Peter Turrini über Bernd Liepold-Mosser.

Das Theatercafé in Klagenfurt. Ein kleines Lokal. Optisch angesiedelt an der Schnittstelle zwischen originellem Design und Wirtshausgemütlichkeit. Die Preise sind der kunstschaffenden Klientel angepasst. Ebenso wie die Sperrstunde. Es ist das Lieblingscafé des Autors und Regisseurs Bernd Liepold-Mosser. Jugendlich-sportlich ist seine Erscheinung. Lässig sein Äußeres. Dunkles Hemd, helle Hose, Ray-Ban-Sonnenbrille. Kein Künstlerschal. Keine gezierte Attitüde.

"Amerika", Liepold-Mossers neuestes Stück, ist ein Mammutprojekt für den Autor und Regisseur. Die Bearbeitung von Franz Kafkas gleichnamigem Roman verspricht ein ungewöhnlicher Theaterabend zu werden. Erst recht für das eher konservativ ausgerichtete Publikum des Stadttheaters Klagenfurt, der größten Bühne des Landes. Liepold-Mosser inszeniert das erste Mal am altehrwürdigen Haus. Und kann gleich mit zwei kleinen Sensationen aufwarten: Niemand Geringerer als die renommierte Band Naked Lunch hat eigens für das Stück die Musik komponiert. Und der erfolgreiche Jungschauspieler Robert Stadlober erklärte sich bereit, die Hauptrolle zu übernehmen.

"Der Roman 'Amerika' hat mich immer besonders angezogen, weil dieses typisch kafkaeske in dem Roman auf leichte Weise daher kommt", so Liepold-Mosser. Ihm gefällt, "dass diese Bedrohung, die bei Kafka immer da ist, die Unterminierung der Existenz, dass die so was Leichtes hat."

Die Reise des jungen Karl Rossmann nach Amerika und sein Aufenthalt in New York geraten zur verwirrenden Groteske. Jede neue Bekanntschaft zerstört seine Hoffnung auf ein Weiterkommen. Ein Roadmovie ohne Ziel. Es wäre nicht Kafka, gäbe es am Ende für alles eine Erklärung.

Intimes Verhältnis zu Texturen

Bernd Liepold-Mosser wurde 1968 in Unterkärnten geboren. Seinen Geburtsort Griffen teilt er mit einem anderen Schriftsteller: Peter Handke. Zunächst schlägt Liepold-Mosser eine akademische Laufbahn ein. Will philosophische Texte schreiben wie seine großen Idole, die Poststrukturalisten. Doch nach und nach wird der Wunsch, künstlerisch zu arbeiten immer stärker.

Bald entstehen seine ersten Theaterarbeiten. Er geht dabei vorwiegend eklektizistisch vor, nennt es selbst das "Prinzip Textmaschine". Er collagiert Passagen unterschiedlichster Textquellen - wie Tourismusbroschüren, Werbeflyer, Heimatlieder - mit klassischer Literatur. "Ich hab irgendwie ein ungemein aufgeladenes, fast libidinöses Verhältnis zu Texturen entwickelt", erzählt Liepold-Mosser. "Diese Arbeit, in Texte hinein zu gehen und die miteinander zu verbinden oder in Kollisionen zu bringen und mit diesen Schichten zu arbeiten, das war für mich wahnsinnig spannend."

Auseinandersetzung mit Kärntner Identität

Vorherrschendes Thema bei all seinen Theaterproduktionen ist Liepold-Mossers kritische Auseinandersetzung mit der Kärntner Identität: "Es haben immerhin mehr als die Hälfte der Kärntner nicht die FPK gewählt und bei denen besteht das Bedürfnis, dass das andere Kärnten, das offene Kärnten, das demokratische Kärnten auch eine Stimme hat. Und solche Leute kommen dann zu mir und sagen: Bernd, das was Du machst, ist für mich Heimat."

Heimat. Ob in seinen Stücken "Kärntentreu", "Patrioten" - nach einem Text des Heimatdichters Josef Friedrich Perkonig - oder zuletzt in "Partizan", einer intensiv diskutierten Off-Theater-Produktion über die Widerstandskämpfer in Kärnten - ein Abend, der für den Autor selbstverständlich zweisprachig über die Bühne ging: slowenisch und deutsch.

"Ich komme aus Unterkärnten. Da ist die Frage der Zweisprachigkeit virulent. Immer gewesen", so Liepold-Mosser. "Wobei ich selbst nicht slowenische Ursprünge habe, aber ich hab schon als Kind diese ganz eigenartige Melancholie, diese Gebrochenheit der Menschen in Unterkärnten miterlebt. Und mir ist das immer sehr nahe gegangen." Liepold-Mosser nennt ein Beispiel: "Der Nachbar ist ein deutschnationaler Krakeler, der rechtsnationale Sprüche klopft. Und der dann aber, wenn er drei weiße Spritzer getrunken hat, im Gasthaus slowenische Lieder singt und dazu weint. Dann erfährt man von ihm, dass er bis zu seinem sechsten Lebensjahr überhaupt nicht deutsch sprechen konnte und das erst in der Schule lernen musste, und dann aber seine Identität völlig umgekehrt oder verleugnet hat."

Neun Episoden von Naked Lunch

Die Songs, die Naked Lunch für ihr Album "Amerika" auf´genommen haben, wurden inspiriert von Liepold-Mossers Inszenierung erarbeitet. Sänger und Gitarrist Oliver Welter über die Entstehungsgeschichte: "Kafka-Biografen und vermeintliche Spezialisten teilen dieses Werk in neun Episoden ein und wir haben aufgrund dieser Episoden einem Konzeptalbum ähnlich neun Lieder geschrieben, die jeweils einer Episode zugehören."

Es war nicht die erste Zusammenarbeit Welters mit dem Autor und wird bereits von der nächsten abgelöst: Bernd Liepold-Mosser soll die Regie bei der mit Spannung erwarteten ersten Oper von Naked Lunch übernehmen, deren Uraufführung im Juni dieses Jahres ansteht. "Er hat etwas, das stellt er vor die Arbeit und das ist menschlicher Umgang", meint Welter. "Das ist quasi allerhöchste Prämisse."

Kafkaeske Situation unter Haider

Bernd Liepold-Mossers Stückwahl scheint gut nach Kärnten zu passen. So empfanden viele Kärntner Kunstschaffende die Subventionspolitik unter Jörg Haider als durchaus kafkaesk. Nicht selten drohten nach Erfahrung von Liepold-Mosser und seinen Kolleginnen und Kollegen kritischen Stimmen frei nach dem Gutsherren-Prinzip Sanktionen. Erst recht, wenn man sich öffentlich gegen den politischen Mainstream im südlichsten Bundesland äußerte. So war Bernd Liepold-Mosser landesweit einer der wenigen Autoren, der Haiders Tod in einem Zeitungsartikel kommentierte.

Liepold-Mosser wurde von Bekannten vor den Reaktionen auf diesen Artikel gewarnt. Aber genau das Gegenteil passierte: "Schon in der Früh um 8:00 Uhr läutet das Telefon. Irgendeine einfache Frau aus dem Gailtal ist am Telefon. Mit schwerem Dialekt. Und sagt: Sind Sie der Herr Liepold-Mosser? Hab ich gesagt: Ja. Naja, sie ruft an wegen dem Statement in der 'Kleinen Zeitung'. Dann hab ich mir gedacht: O mein Gott! Jetzt kommt's. Dann hat sie gesagt: Danke, danke, dass Sie das gesagt haben! Weil das wollen wir auch hören. Und so viele Menschen empfinden das. Nur niemand sagt's. Und aus dem Hintergrund hat noch ihr Mann oder wer das war gerufen: Ja! Von mir auch danke! Und an scheanen Gruß!"

Jetzt wieder "Landesliga"

Bernd Liepold-Mosser in dem Buch "Kärnten und Wien. Zwischen Staatsidee und Landesbewusstsein" aus dem Jahr 2005:

"Jetzt ist wieder die Landesliga am Werken und nicht die Europaliga und drum kann man auch gelassener sein", meint Liepold-Mosser. Auch künstlerisch hat Bernd Liepold-Mosser allen Grund zu bleiben und will nicht vielen seiner Kolleginnen und Kollegen folgen und das Land verlassen:

"Wenn man jetzt zum Beispiel als Dramatiker arbeitet oder als Autor oder Theater macht, dann ist genau die Reibung und die Auseinandersetzung sehr wichtig, um auch die Dinge zu schärfen und auch einen Antrieb zu bekommen. Das ist so ähnlich wie Heiner Müller gesagt hat: In der DDR, da kenn ich mich aus und in der BRD, da ist mir fad."

Service

Bernd Liepold-Mosser, "Amerika", nach der Erzählung von Franz Kafka, Musik von Naked Lunch, bis 26. Mai 2011,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

Stadttheater Klagenfurt