Gestalt und Perspektiven
Diskussion um Türkisch als Maturafach
Gestern ist eine politische Diskussion über die mögliche Einführung von Türkisch als Maturafach an österreichischen Höheren Schulen ausgebrochen. Die SPÖ argumentiert vorsichtig dafür, die Grünen sind klar dafür, und ÖVP, FPÖ und BZÖ einhellig dagegen.
8. April 2017, 21:58
Fernab der tagespolitischen Auseinandersetzung arbeitet man am geisteswissenschaftlichen Dekanat der Karl-Franzens-Universität Graz an der Entwicklung eines Lehramtsstudiums für Türkisch. einschlägige Erfahrungen könnten dabei helfen - in Teilen Deutschlands gibt es die Türkisch-Matura schon.
Zugegeben: Das deutsche Bundesland Hamburg ist aktuell nicht gerade für die glücklichste Bildungspolitik bekannt. Letztes Jahr scheiterte die schwarz-grüne Koalition mittelbar an dem Volksentscheid gegen die Einführung der von der Landesregierung forcierten sechsklassige Primarschule.
Positive Erfahrungen
Trotzdem sieht Christa Goetsch, bis November 2010 grüne Bildungssenatorin viele Pluspunkte im reformierten Hamburger Schulwesen, und dazu gehöre auch der Türkisch-Unterricht: von der Grundschule bis zu Matura, sagt Goetsch, die sich derzeit beim Internationalen Alfred Dallinger-Symposium der Arbeiterkammer in Wien aufhält.
"Natürlich ist die Konferenzsprache Deutsch, die müssen alle perfekt beherrschen, das ist das erste Ziel. Das zweite Ziel ist aber, warum sollten wir den Reichtum der Sprache, den unsere Einwanderer-Kinder von zu Hause mitbringen, nicht pflegen? Wir wollen Tor zur Welt sein, wir wollen Handel und Globalisierung und Sprachen spielen eine große Rolle. Bei uns ist Türkisch schon lange Abiturfach, in Hamburg, in einigen Schulen. Ohne Probleme, im Gegenteil. Wir haben bilinguale Grundschulen Italienisch - Deutsch, Spanisch - Deutsch, Portugiesisch-Deutsch, Türkisch-Deutsch, demnächst kommt Russisch und Polnisch - Deutsch. Kinder die zweisprachig auf einem hohen Niveau groß werden, schauen sie in die Schweiz, schauen sie nach Kanada - wo ist das Problem?", fragt Christa Goetsch.
Fremdsprache und Muttersprache
Doch Probleme gibt es noch viele, weiß Theres Hinterleitner: Sie arbeitet an der Universität Graz gerade den Lehrplan für ein Lehramtsstudium Türkisch aus - die Voraussetzung für einen Unterricht als zweite lebende Fremdsprache, aber auch für Türkische Muttersprachler.
Genau da ist nun die Befürchtung vieler, dass hier Parallelgesellschaften gefördert würden. Das stimme nicht, sagt Theres Hinterleitner.
"Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich Kinder wesentlich leichter tun im Bildungsprozess zu verweilen, wenn sie ihre eigene Muttersprache auch wirklich gut können. Sie können sich wesentlich besser zurechtfinden in jeder anderen Sprache und deshalb wollen wir eine Beitrag dazu leisten, dass Migrant/innen aus dem türkisch sprachigen Raum auch im Bildungsbereich besser Fuß fassen können."
Hinterleitner beruft sich dabei auf Datenmaterial der Statistik Austria, das eine Benachteiligung türkischstämmiger Österreicher beiderlei Geschlechts in Sachen Bildungschancen erweisen würde.