Die Geschichte des nuklearen Zeitalters

Atom

Das Buch der amerikanischen Journalistin Stephanie Cooke erscheint gerade rechtzeitig zur Katastrophe im japanischen AKW Fukushima - man könnte auch meinen: zu spät. In der Taschenbuch-Ausgabe ist der Titel bereits auf "Atom. Die Geschichte des nuklearen Irrtums" adaptiert.

Die Journalistin, die für das Bulletin of Atomic Scientists arbeitet und Herausgeberin bei der Energy Intelligence Groupe ist, hat acht Jahre lang Material recherchiert und akribisch aufbereitet: Sie erzählt die Geschichte des nuklearen Zeitalters ab dem Abwurf der ersten Atombomben über Hiroshima und Nagasaki, über geheime militärische Atomtests, den Atomwaffensperrvertrag, die AWK-Unfälle von Three Mile Island und Tschernobyl, und politische Zusammenhänge von Rüstungsnationen wie USA, Pakistan, Irak und Nordkorea. Das Buch soll ein Appell sein, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Für den Krieg entwickelt

Mit den Worten des damaligen US-Präsidenten Truman hat die Welt 1945 von der ersten Atombombe erfahren - damit beginnt auch die ausführliche Erzählung von Stephanie Cooke.

"Auch wenn das Nuklearunternehmen die Welt noch nicht vernichtet hat, bietet uns seine Entwicklung keinerlei Garantien für die Zukunft", beschreibt Cooke den Ansporn für ihre Recherche über das Nuklearzeitalter.

Dokumente und Tagebücher als Grundlage

Stephanie Cooke berichtet sehr genau von Gesprächen mit Politikern und Wissenschaftlern, sie zitiert viele Reden und Briefe aus den 1950er und 60er Jahren. Die Dokumente geben einen guten Einblick, was Politiker, Forscher oder Geheimdienste damals tatsächlich über militärische Atomtests und Rüstungspläne von anderen Staaten gewusst haben. Viele Informationen stammen auch aus Tagebüchern von Zeitzeugen, Zeitungsarchiven und Regierungsdokumenten.

Cooke berichtet vom größten Bombentest der USA, der 1954 unter dem Codenamen "Bravo" mit einer Sprengkraft von 15 Megatonnen am Bikini-Atoll stattgefunden hat. Die weiße Asche, die vom Himmel fiel, hielten die Menschen auf den benachbarten Inselgruppen für Schnee. Dieser "radioaktive Schnee" hatte jedoch erhebliche gesundheitliche Folgen: Haarausfall, Brandwunden, krankhafte Blutbilder, psychische Krankheiten und Neugeborene mit Anomalien.

"Wir sind in der Bredouille" meint ein politischer Berater von Präsident Kennedy ein paar Jahre später, als sich dieser kurz vor seiner Rede zur Kubakrise 1962 befand. Kennedy hatte sich immer für ein Testverbot von Atomwaffen eingesetzt, vergeblich.

Rolle der IAEO

Auch Wien ist Schauplatz in Cookes Buch, seit der Gründung 1957 hat hier die IAEO, die internationalen Atomenergiebehörde, ihren Sitz. Cooke beschreibt das damalige Wien als ein Paradies für Spione, als ein Niemandsland zwischen Ost und West. Ein passender Ort für die IAEO, die für ihre Milde, fürs Wegschauen und fürs Vertuschen von Rüstungsvorhaben kritisiert wurde.

Weder der Atomwaffensperrvertrag, der eher eine Formalität war, noch die internationale Atomenergiebehörde konnten beispielsweise die Bombenprogramme von Israel, Südafrika, Pakistan, Nordkorea und Iran stoppen, obwohl die internationale Atomenergiebehörde nachweislich von den Plänen gewusst hat. Wie immer gelangt die Öffentlichkeit erst viel zu spät an diese Informationen. Wie zum Beispiel auch in den 1990er Jahren, als die US-Energieministerin unter Präsident Clinton Strahlenexperimente öffentlich machte, die seit den 1940er Jahren durchgeführt wurden: Sie berichtet über eine Testreihe, bei der geistig behinderte Jugendliche in der Schule Haferflocken mit radioaktiven Spurenelementen zu essen bekommen haben, des weiteren wurden Strahlen-Experimente an Sträflingen und Schwangeren durchgeführt.

Das Netzwerk der Seilschaften

Beinahe resigniert resümiert Cooke gegen Ende ihres Buches über die Nutzung von Kernkraft.

Der Beginn des Buches ist sehr subjektiv und romanhaft geschrieben, das Ende im pathetischen God-bless-America-Stil - das liest sich für ein Sachbuch etwas merkwürdig. Hat man sich daran gewöhnt, mit geschichtlichen Daten und technischen sowie physikalischen Fakten überhäuft zu werden, hilft das Buch aber, Hintergründe und politische Zusammenhänge der nuklearen Welt besser zu verstehen.

Service

Stephanie Cooke, "Atom. Die Geschichte des nuklearen Zeitalters", aus dem Amerikanischen übersetzt von Hans Günther Holl, Kiepenheuer und Witsch

Kiepenheuer & Witsch - Atom