Warum Portugals Wirtschaft am Boden liegt

Ein Land in der Dauerkrise

Die Wirtschaftskrise ist in Portugal ein Dauerproblem. Deshalb glauben viele Experten dass es für Portugal besonders schwer sein wird, aus der Schuldenkrise wieder heraus zu kommen. Portugals Wirtschaft ist nicht wettbewerbsfähig, die Löhne sind zu hoch, die Konkurrenz aus Osteuropa und Asien zu stark.

Portugal-Experte Zsolt Darvas

im Mittagsjournal, 07.04.2011

Über seine Verhältnisse gelebt

Es ist noch nicht sehr lange her, da hat Portugal einen Boom erlebt. In den 1990er-Jahren ging es aufwärts. Die Zinsen waren niedrig, Kredite leicht zu haben, und in Portugal wurde fleißig konsumiert - auf Pump. Portugal hat über seine Verhältnisse gelebt.

Konjunktur in Abwärtsspirale

In dieser Zeit sind Portugals Löhne zu stark gestiegen, das ist heute die Hauptursache dafür, dass die portugiesische Wirtschaft am Boden liegt. Denn Portugals Unternehmen können deshalb im internationalen Wettbewerb nicht mithalten, sagt Portugal-Experte Zsolt Darvas vom Brüsseler Wirtschaftsforschungsinstitut Bruegel. Die hohen Löhne verursachen eine Abwärtsspirale: Unternehmen verkaufen ihre Produkte schlecht und haben zu hohe Kosten, die Wirtschaft wächst nicht, es kommen weniger Steuern herein, die Schulden steigen.

Asien und Osteuropa statt Portugal

Verschärft wird diese Situation durch die harte Billigkonkurrenz aus Asien, vor allem aus China. Das hat besonders die portugiesische Textilindustrie getroffen: Weil Portugal zu teuer war, gehen die Kunden nach Asien, sagt Darvas. Auch die Konkurrenz aus Osteuropa macht Portugal zu schaffen, weil viele ausländische Unternehmen sich nach dem Beitritt vieler ehemals kommunistischer Länder dort angesiedelt haben und dort investiert haben anstatt in Portugal. Und wieder waren dafür die niedrigeren Löhne ausschlaggebend.

Arbeitsmarkt braucht Reformen

Das wichtigste für Portugal sei jetzt, die Löhne zu senken. Im öffentlichen Bereich müsse man anfangen, sagt Darvas, dann würde auch die Privatwirtschaft nachziehen. Außerdem müsse es einfacher werden, Mitarbeiter einzustellen oder zu entlassen, damit die Unternehmen flexibler werden. Im Arbeitsmarkt brauche man also große Strukturreformen. Aber auch bei der Verwaltung müsse drastisch gespart werden, sagt Darvas.

Schwächste Wachstumsaussichten

Viele Experten sagen, dass Portugal das Land ist mit dem größten Problem, und das, obwohl der Schuldenberg im Vergleich zu den anderen Ländern gar nicht so groß ist. Aber Portugals Wirtschaft hat langfristig die schlechtesten Wachstumsaussichten, sagt auch Darvas. Wie schwach die portugiesische Wirtschaft ist, zeigt eine einfache Statistik: Portugal hat doppelt so viele Einwohner wie Irland, aber die gleiche Wirtschaftsleistung Vor diesem Hintergrund steht Portugal vor dem schwierigen Drahtseilakt, einerseits massiv sparen zu müssen, und andererseits das schwache Wirtschaftswachstum nicht ganz abzuwürgen.

"Portugiesen haben kein Sparpotenzial mehr"

Der portugiesische Journalist Miguel Szymanski im Ö1 Mittagsjournal-Gespräch am 07.04.2011 mit Andrea Maiwald

Keine Lösung in Sicht

Die Menschen in Portugal hätten kein Sparpotenzial mehr, sagt der portugiesische Journalist Miguel Szymanski zur Lage seines Landes. Und Portugal habe keine Möglichkeit, diesen Schuldenberg zurückzuzahlen. "Wir haben keine Textilwirtschaft mehr, keine Fischereiwirtschaft und de facto auch keine Landwirtschaft mehr." Eine Geldspritze werde das Problem nur um ein paar Jahre verschieben. Vor allem im öffentlichen Dienst müssten massiv Arbeitsplätze abgebaut werden. Und ohne Schuldennachlasse werde es auch nicht gehen. Die politischen Parteien hätten jedenfalls keine Konzepte zur Bewältigung der Krise.

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