Sich Flügel wachsen lassen

Attwenger über einander

"Die höchste Qualität einer Begegnung wäre die Begegnung, nach der nichts mehr so ist, wie es vorher war, eine richtig flashige Begegnung." Markus Binder, Schlagzeuger, Sänger und Texter des österreichischen Pop-Duos Attwenger. Und weil zu einem Duo bekanntlich zwei gehören, bedarf es der Vervollständigung durch eine alles verändernde, "flashige" Begegnung.

Attwenger, Volxmusiker

"Ich habe permanent den Drang, es muss jetzt eine Platte her, die alles komplett vom Tisch wischt, was vorher war."

Es war zur Anfangszeit der neuen, verstärkten Volxmusik in den späten 1980er Jahren, als Markus Binder und Hans Peter Falkner aus Oberösterreich in der Linzer Stadtwerkstatt erstmals zusammentrafen. Herr Binder fiel Herrn Falkner sogleich wohlgefällig ins Auge:

"Er saß irgendwie verwinkelt in einem Sessel, hat einen Hut aufgehabt und über die Hose drüber weiße Socken bis unters Knie, das war das Stadtwerkstadtkleidungsschema damals. Er hat unter seinem Hut hervor geblinzelt, das fand ich sympathisch. Später hat sich herausgestellt, dass er ein leiwander Haberer ist."

Dinge von Dauer

Bald schon war klar, dass die Begegnung nicht auf Äußerlichkeiten beschränkt bleiben würde, sondern dass man gemeinsam arbeiten und musizieren wollte. Die Verbindung von Punk und Polka, die hochartifizielle Lyrik und eine unbändige Spielfreude sind unter dem Gütesiegel "Attwenger" längst Kult.

"Auf da Oim gengan di Kia" hieß das Debüt im Jahr 1990 - veröffentlicht noch auf Musikkassette. Am 8. April 2011 präsentieren Falkner und Binder im Wiener Flex ihr jüngstes Werk: die CD "Flux". Sechs Jahre ließ man sich für die Aufnahmen Zeit. Eine gute Gelegenheit, um über Dinge von Dauer zu reden.

Wie Tag und Nacht

Markus Binder ist überzeugt, es ist die Verschiedenheit ihrer Charaktere, die als "Beziehungskitt" fungiert: "Der Zündstoff, der Treibstoff, der das Ganze antreibt, das ist unsere Unterschiedlichkeit. Hans Peter ist Frühaufsteher, trinkt stilles Wasser, ich bin Spätaufsteher und bevorzuge prickelndes Wasser. Er hat sich auch zu einem Früh-ins-Bett-Geher entwickelt, das hat uns allerdings ein wenig entfremdet. Wenn ich noch mit dem Tontechniker was austüftle, raunzt Hans Peter schon: 'Fohr ma! Foooohr ma!'"

Markus Binder kontrolliert bei Attwenger die Textarbeit und die stilistische Ausrichtung; Hans Peter Falkner bildet mit seiner Ziehharmonika das musikalische Fundament. Der Mix traditioneller Elemente mit Hip Hop, elektronischer Musik oder Blues genügt laut Binder aber nicht. Geht es nach ihm, müssten Kollegen Falkner demnächst Flügel wachsen:

"Ich habe permanent den Drang, es muss jetzt eine Platte her, die alles komplett vom Tisch wischt, was vorher war. Tabula rasa! Ich glaube, Hans Peter sieht das anders."

Hans Peter Falkner: "Ich sehe das anders, als er glaubt, dass ich es sehe! Tabula rasa würde mir schon Spaß machen, aber ich kann momentan nur etwas tun, wie ich es momentan eben gerade kann. Ich kann nicht hergehen und sagen: Ich erfinde einen neuen Musikstil und mache alles neu, jetzt kommt die innovativste CD, sondern ich bin eine Stufe niedriger und erfinde einfach eine neue Melodie. Dabei kann es dann vielleicht passieren, dass ich einen neuen Musikstil erfinde."

Markus Binder insistiert: "Ich weiß, dass er es kann, er hat das Gerät dazu, seine Midi-Elektro-Wahnsinns-Ziehharmonika!"

Und endlich Falkner: "Ich werde ihm das jetzt erfüllen, damit dieses Gejammere endlich aufhört, weil ich mir das nicht mehr anhören kann. Ich werde Tag und Nacht arbeiten, es ist zu wenig, nur eine neue Melodie zu machen, es muss ein neuer Musikstil her!"

Zu zweit geht alles besser

Attwenger zählen zu den absoluten Viel-Spielern der Musikszene. Ihr ausgedehntes Tourleben wurde ja von Wolfgang Murnberger und Florian Flicker auch schon im "Attwengerfilm" dokumentiert. Markus Binder plaudert aus dem Nähkästchen einer 20-jährigen musikalischen und freundschaftlichen Intensivbeziehung.

"Ich muss ihn manchmal unter Drogen setzen, dann wird er ein Anderer. Ich muss ihn auf den Kopf stellen, damit er sich nicht mehr auskennt. Aber es ist nicht leicht, weil er ein Typ ist, der sich gerne festhält an dem, was er ist und was er kennt. Er hat aber auch das Potenzial, sich zu verlieren, wenn er sich nicht mehr anhält, wenn er sich nicht mehr anhalten muss, wenn der Halt nicht mehr wichtig ist. Dann weiß ich, dass er Flügeln kriegen kann."

Es gibt aber auch Situationen, wo beide Attwenger gleichsam "Flügel" brauchen, wenn sie abgekämpft sind von den vielen Konzerten oder Interviews, aber immer weiter "funktionieren" müssen. Binder und Falkner unisono: "In solchen Momenten macht dann einer von uns einen Scherz, eine bestimmte Bemerkung, und wir wissen: Wir sind zu zweit, wir kriegen das schon hin. Wir sind zwei."

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