Plattform für junges Theater
Freischwimmer im brut
An diesem Wochenende wurde das Freischwimmer-Festival 2011 im brut in Wien eröffnet. Dieses internationale Theaterfestival bringt alljährlich Neues aus Theater, Performance und Live Art: Heuer werden sieben internationale Projekte in Wien gezeigt.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 11.04.2011
Wien ist die dritte Station nach Berlin und Hamburg auf der Tour des Freischwimmer-Festivals durch den deutschsprachigen Raum. Anschließend geht es weiter nach Zürich und Düsseldorf. Vor allem ganz jungen Künstlern und Künstlerinnen soll dieses Festival die Gelegenheit geben, ihre Produktionen in mehreren europäischen Metropolen zu zeigen.
Polnische Hochzeit auf der Bühne
Am Samstag fand dann unter dem Titel "bis dass der Tod uns scheidet" eine feuchtfröhliche polnische Hochzeit auf der Theaterbühne statt, die die Performancekünstlerin Magdalena Chowaniec inszenierte. Ihr geht es um das theatralische Element einer Hochzeit, bei der es gewöhnlich ein absolutes Glücksgebot gibt. Um keine Leerläufe in dem Glücksgefühl aufkommen zu lassen, gibt es bei einer polnischen einen Moderator, der für Stimmung sorgt.
Das Publikum nimmt an langen Tischen Platz, und wird mit Speis und Trank versorgt. Dass man bei Hochzeiten das Hier und Jetzt feiert und die Gedanken an die Zukunft möglichst verdrängt, hat Magdalena Chowaniec interessiert. Vor allem, weil es in den deutschsprachigen Ländern viele polnische Gastarbeiter gibt, die ganz für ihre Utopie leben, die im Ausland arbeiten um dann zu Hause irgendwann einmal mit ihren Familien glücklich zu werden.
Leben zwischen den Welten
Für diese Gastarbeiter gibt es kein Jetzt: "Sie fahren ins Ausland, um arbeiten und sparen jeden Cent, leben überhaupt nicht, gehen nicht ins Theater, nicht ins Kino. Sie arbeiten nur stundenlang, um dieses Geld nach Polen zu schicken oder dahin zu kommen. In Polen existiert dafür oft auch kein Verständnis mehr dafür. Die Leute leben zwischen Welten. Und aus zwei Jahren werden 30 Jahre", so Chowaniec.
Chowaniec sammelte unzählige Geschichten von Gastarbeitern, die bei dieser Performance präsentiert werden. Am Ende des Festes, wenn alle Gäste unterm Tisch liegen, verliest der Moderator noch die traurigen Briefe jener Gäste, die nicht kommen konnten. Eine Art, für alle Theater zu spielen, die unter die Haut geht.
Verwandlung in einen Wolf
Nicht weniger unter die Haut geht das Stück von Corinna Korth, die untersucht, wie man konsequent auf den Hund kommt. Ihr Theaterabend ist als Vortrag konzipiert: Sie referiert als Gründerin des Instituts für Hybridforschung über Mischwesen zwischen Tier und Mensch.
Das ist der theoretische Teil des Vortrags, im praktischen, verwandelt sich Corinna Korth selbst in ein Tier.
Am Bühnenhintergrund sieht man Horrorvideos, auf denen sich Menschen in Tiere verwandeln, indem ihnen plötzlich Reißzähne und Fellhaare wachsen. Und Corinna Korth erklärt, dass sie sich von einem Schönheitschirurgen in einen Wolf verwandeln lässt: "So eine Verwandlung zum Beispiel am Kopf dauert ein Jahr, mit den Vorgaben, die ich diesem Chirurgen gegeben habe. Wir haben jetzt angefangen, Veränderungen an mir vorzunehmen und das geht jetzt Schritt für Schritt weiter und ich werde mich über die nächsten zwei Jahre weiter verwandeln", so Korth. Dann wird sie aussehen wie ein Wolf. Auf die Frage, wie das möglich sei, antwortet sie: "Es ist auf jeden Fall möglich und ich bin schon sehr gespannt. Es wird Haartransplantationen geben, der Kiefer wird verlänger - ich bin aber weiter lebensfähig."
Das Freischwimmerfestival zeigt im brut noch bis 16. April Produktionen, die mit neuen Theaterformen experimentieren. Und das ist wirklich nicht zu viel versprochen.
Textfassung: Rainer Elstner