Die Chronologie
Tagebuch einer Atomkatastrophe
Die Explosion im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl gilt neben Fukushima als bisher schwerstes Unglück in der Geschichte der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Ausgelöst wurde der Unfall in der früheren Sowjetunion durch eine fehlerhaft ausgeführte Notfallübung im Reaktorblock 4. Eine Chronologie der Atomkatastrophe.
27. April 2017, 15:40
25. April 1986
01.00: Die Bedienungsmannschaft beginnt die Leistung des Reaktors für einen Test herunterzufahren.
13.05: Weil aus Kiew wieder Strom verlangt wird, verschiebt die Mannschaft das Experiment. Neun bis zehn Stunden später wird der Reaktor weiter heruntergefahren.
26. April 1986
00.28: Die Leistung fällt aus ungeklärten Gründen auf unter 30 Megawatt (MW, ein Prozent der Nennleistung) ab. Dafür ist der Reaktor aber nicht ausgelegt, er wird instabil.
00.32: Die Mannschaft kann den Reaktor wieder auf 200 Megawatt (MW) hochfahren, indem sie mehr Brennstäbe als zulässig entfernt. Trotzdem werden die Vorbereitungen für den Test fortgesetzt.
01.15: Der Versuchsleiter überbrückt die Signale, die zu einer Notabschaltung geführt hätten.
01.23: Der Test beginnt und in weniger als 50 Sekunden kommt es zur Katastrophe. Die Leistung erhöht sich auf über 300.000 Megawatt. Die Temperatur steigt an, das Kühlmittel verdampft und verursacht erhöhte Radioaktivität. Das Personal versucht erfolglos eine Notabschaltung. Die Brennelemente reißen und reagieren mit dem sie umgebenden Wasser. Zwei Dampfexplosionen zerstören den Reaktor. Weil ein druckfester Sicherheitsbehälter fehlt, werden Trümmer und spaltbares Material ausgeworfen. In den Flammen steigen radioaktive Partikel auf und der Wind verbreitet sie über ganz Europa.
Nachmittag: Radioaktive Wolken treiben vom Unglücksort in Richtung Nordwesten.
28. April 1986
Schwedische Messstellen bei Kernkraftwerken bringen die ersten Hinweise auf erhöhte Radioaktivität, zuerst wird an einen Unfall in einem eigenen Meiler gedacht. Die sowjetischen Behörden dementieren zunächst jeden Zwischenfall. Für die Öffentlichkeit war die "Informations-Katastrophe" fast genauso schlimm wie der primäre Unfall. Die amtliche sowjetische Nachrichtenagentur TASS gibt erst am Abend bekannt, dass sich in einem Atomkraftwerk in Tschernobyl ein Unglück ereignet hat.
29. April 1986
TASS meldet den Verlust von zwei Menschenleben. Sowjetische Diplomaten in Bonn und Stockholm ersuchen um Hilfe, die ihnen zugesagt wird. Die Fragestellung lässt darauf schließen, dass die nukleare Ladung des Reaktors offenbar geschmolzen ist.
30.April 1986
An diesem Tag ist Österreich besonders von einer radioaktiven Wolke betroffen. Trotz der bereits eingelangten beunruhigenden - wenn auch damals noch nicht in ihrer Tragweite endgültig abschätzbaren - Meldungen über die Strahlenwolke werden am Abend des 30. April in aller Freundschaft die traditionellen Fackelzüge abgehalten, am folgenden "Tag der Arbeit" die Maifeiern.
1. und 2. Mai 1986
Da es in vielen Gebieten in Österreich regnet, werden die Strahlenpartikel ausgewaschen und erreichen den Boden. Der höchste Wert wird vom Umweltbundesamt in Oberösterreich mit 270 Mikroröntgen gemessen. Dieser Pegel liegt weit über der Stufe 3 der fünfteiligen österreichischen Warnskala. Das für Strahlenschutz zuständige Gesundheitsministerium gibt Verhaltensmaßregeln bekannt, wie "Kein Frischgemüse", "kein Verkauf von frischem Spinat und Salat", "Kinder nicht in die Gärten lassen".
2. Mai 1986
Moskaus Vertreter bei der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien teilt mit, die Kettenreaktion in Tschernobyl sei zum Stillstand gebracht und der Reaktor abgeschaltet worden.
April bis Oktober 1986
Sowjetische Behörden versuchen das Ausmaß des Unglücks zu verschleiern. Hunderttausende von so genannten "Liquidatoren" werden von der Kommunistischen Partei zu Aufräumarbeiten am Atomkraftwerk mobilisiert. Die meisten von ihnen sind inzwischen durch die Folgen der Verstrahlung krank, verkrüppelt oder tot.
November 1986
Ein als Sarkophag bezeichneter Betonmantel wird um den zerstörten Reaktor gebaut. Er soll den Austritt radioaktiver Strahlung verhindern.
24. August 1991
Die Ukraine erklärt ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion.
Oktober 1991
Ein Großbrand zwingt die Verantwortlichen von Tschernobyl auch den zweiten Reaktor des Atomkraftwerkes abzuschalten.
November 1996
Reaktorblock Nummer eins wird nach Ablauf seiner erwarteten Betriebsdauer heruntergefahren. Allein der Reaktorblock Nummer drei bleibt in Betrieb.
April bis Mai 1999
Die Rekonstruktionsarbeiten am Sarkophag werden ausgeführt.
15. Dezember 2000
Wie von dem ukrainischen Präsident Leonid Kutschma Monate zuvor angekündigt, wird der letzte verbliebene Reaktorblock um 12.16 Uhr MEZ abgeschaltet.