Mit Kochlöffeln und Pfannen unterwegs
Kitchen Guerilla
Sie besetzen Baustellen, Schiffe und Landhäuser. Bewaffnet mit Kochlöffeln, Tranchiermessern und Pfannen stürmen sie Kantinen oder Betriebsküchen. Dort betreiben sie aber nicht Krieg, sondern kreieren ausgetüftelte Speisen, die sie einer Gruppe bunt zusammen gewürfelter Menschen auftischen. Diese haben vorher per Mail oder von Bekannten erfahren, wo diesmal ihr Hunger gestillt wird.
8. April 2017, 21:58
Das alles passiert sehr kurzfristig. "Kitchen Guerilla" ist ein ungewöhnliches Koch-Projekt aus Hamburg. Seit kurzem sind die Guerillas auch international unterwegs, jetzt waren sie gerade in Paris, Beirut und Istanbul. Der Kopf hinter dem Projekt ist Koral Elci. Er hat schon immer gerne gekocht, doch warum hat er dann kein Restaurant gegründet? Mit einem eigenen Lokal sei man der Sklave dieses Lokals, so Elci, "aber wir wollen unterwegs sein".
Die Guerillas wurden als "Deutschlands innovativstes Gastronomie-Projekt" ausgezeichnet - ein Preis, den normalerweise Gastronomen bekommen. Doch die beiden Gründer sind keine gelernten Köche: Koral Elci ist Designer und stammt aus Istanbul, er kam zum Studieren nach Deutschland und ist geblieben. Gemeinsam mit dem Fotografen Olaf Deharde betreibt er das Projekt.
Bunt zusammengewürfelt
Im Internet kann man ihre Guerilla-Aktivitäten nachverfolgen: Fotos von aufgespießten Schnitzel-Häppchen oder Videos von der Wild-Jagd - die Guerillas verstehen es, sich in Szene zu setzen. Doch das Spannendste ist für Koral Elci, wenn an seinen Koch-Abenden eine bunt zusammengewürfelte Menschengruppe aufeinander trifft. Denn schließlich kennen die meisten seiner Gäste einander vorher nicht. Wie viele es sind, variiert stark: Bislang waren es pro Abend zwischen 20 und 120 Menschen.
Wenn seine Gäste nachher noch übers Essen diskutieren, ist der Organisator vollends zufrieden, denn die Guerillas wollen nicht nur Leckeres auftischen, sondern auch zum Nachdenken anregen: "Wenn man Fleisch isst, dann muss man gucken, wo es her kommt und wie es produziert wird", so Elci. "'Produktion' heißt ja, dass man Lebewesen produziert, um die dann zu verzehren."
Das Wichtigste: Die Zutaten
Ob Frühlingszwiebel oder Fisch, bei den Guerillas kommen nur Zutaten aus der Region in den Topf, und auch die Getränke beziehen sie von lokalen Produzenten. Das Wichtigste beim Kochen sind die Zutaten, sagt Koral Elci: "Man kann mit ganz wenig Sachen, wenn die Grundzutaten gut sind, ganz simple Gerichte sehr lecker und sehr gut kochen." Gutes Kochen sei eben nicht von Laborkenntnissen abhängig.
Aber ein gewisses Handwerk gehört eben auch dazu. Praktischerweise gibt es auf dem Guerilla-Blog auch Rezepte, zum Beispiel für das türkische Weizengericht Bulgur. Der Guerilla-Leitsatz lautet "In Food we trust" und sie wollen das Kochen als Ursprung jeder Kultur wieder in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens rücken. Das klingt vielleicht puristisch, doch auch Fast Food-Liebhaber müssen sich nicht davor fürchten, von den Guerillas verurteilt zu werden: "Wir wollen nicht unsere Finger auf Menschen richten, sondern die Fakten auf den Tisch legen und darüber diskutieren." "Kitchen Guerilla" ist also ein kleines Projekt mit einem großen Ziel.
Übrigens: Augen und Ohren offen halten macht sich bezahlt, denn auch Österreich steht auf der Liste jener Länder, in der die Guerillas bald Küchen kapern wollen.