Debütroman von Astrid Rosenfeld

Adams Erbe

Eine Geschichte, die es in sich hat: "Adams Erbe" heißt das Romandebüt von Astrid Rosenfeld, und darin erweist sich die in Berlin lebende Autorin nicht nur als historisch versiert, sondern vor allem als hinreißende Erzählerin, die das wohl dunkelste Kapitel der deutschen Vergangenheit mit ungewohntem Witz und viel Phantasie zu behandeln versteht.

Der Roman besteht aus zwei Teilen. Zunächst geht es um Edward Cohen, der mit aus Wolle gefertigten, ziemlich hässlichen Püppchen zu Geld gekommen ist und in Berlin eine gut gehende Modeboutique betreibt. Dieser Edward Cohen trägt an einem schweren Erbe, nämlich der Ähnlichkeit zu seinem Großonkel Adam, den er nie gekannt hat und über den in seiner Familie immer nur in Andeutungen gesprochen wurde.

"Der Anfang der Geschichte war, dass jemand in unserer heutigen Zeit etwas vererbt bekommt, nämlich das Offensichtlichste, das Gesicht eines anderen, der zu einer anderen Zeit gelebt hat", erzählt die Autorin, "und da ist dann die Verbindung. Es ist irgendwie wenig konstruiert und wenig bedacht entstanden."

Der "schnurrbärtige August"

Schon in diesem ersten Teil spielt Astrid Rosenfeld gekonnt ihr großes Erzähltalent aus. Sie lässt Edward von seiner Kindheit berichten, von seinem Großvater Moses, der sich auf dem Dachboden einschloss, von der strengen Großmutter Lara, von der Mutter Magda und vom geliebten Stiefvater Jack, der Edward beibringt, wie man Opferstöcke in Kirchen ausräumt.

Dem Rätsel um seinen Großonkel kommt Edward erst nach dem Tod der Großmutter näher, als er in alten Papieren Adams Aufzeichnungen findet und der zweite Teil des Romans beginnt. Nun erzählt Adam von seiner Jugend, von seiner blassen Mutter und seiner humorvollen Großmutter Edda Klingmann, die als Jüdin mit dem Sturmbannführer Julian Bussler befreundet ist und glaubt, in den Gesichtern der Nazigrößen lesen zu können. Vor allem Hitler selbst, den Edda nur als "schnurrbärtiger August" bezeichnet, wird zum begehrten Studienobjekt.

Im Grauen lachen können

Dieser leichte Ton, dieser feine Humor gibt dem Roman seinen Charakter und zieht sich durch das gesamte Buch – und gerade das ist Astrid Rosenfeld besonders wichtig, "dass man in der ganzen Grausamkeit einen Moment lang lachen kann, wenn man Zeitzeugenberichte liest."

Dabei ist Adams Geschichte alles andere als lustig. Seine große Liebe Anna wird von den Nazis abgeholt und von da an verfolgt Adam nur mehr ein Ziel: Er will wissen, wo Anna sich befindet, er will sie retten. Zu diesem Zweck verwandelt er sich mit Busslers Hilfe in den arischen Anton Richter, verdingt sich ausgerechnet beim polnischen Generalgouverneur als Rosenzüchter und findet nach und nach heraus, was mit Anna geschehen ist – bis er einen ungeheuerlichen Plan fasst.

Feiner Grat zwischen Ernst und Komik

All das erzählt Astrid Rosenfeld schwungvoll und stilsicher, und ihr Geheimnis dabei ist es, nicht zu viel zu analysieren, was genau sie eigentlich tut: "Ich mache zum Beispiel keine großen Notizen. Das passiert alles irgendwie in meinem Kopf und ich hoffe oder ich wünsche mir, dass ich mir eine gewisse Naivität behalten kann, weil ich möchte auch gar nicht so genau wissen, warum ich wie welche Dinge mache."

Wie auch immer sie es macht, sie macht es gut. Geschickt balanciert sie auf dem feinen Grat zwischen Ernst und Komik, sie sieht das Bizarre in der Tragik, ohne jedoch platt oder banal zu werden, und sie erzählt eine Geschichte, die gleichermaßen zum Lachen wie zum Weinen reizt. Es ist ein außerordentlich gelungenes Debüt, das Astrid Rosenfeld vorlegt, ein Debüt, das die deutsche Vergangenheit von einer anderen Seite zeigt, das unterhält und bezaubert und im Leser noch lange Zeit nachhallt. Mit einem Wort: ein Debüt, das die deutschsprachige Literaturszene ein wenig reicher gemacht hat.

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Astrid Rosenfeld, "Adams Erbe", Diogenes

Diogenes - Adams Erbe