Gegen Hunger und Spekulation
Fischler für mehr Entwicklungshilfe
Lebensmittel kosten derzeit im Durchschnitt um 36 Prozent mehr als noch vor einem Jahr, hat die Weltbank berechnet. Millionen Menschen droht deshalb Armut. Schuld seien aber nicht nur Spekulanten, sagt der frühere EU-Agrarkommissar Franz Fischler. Er empfiehlt, mehr Geld für Entwicklungshilfe auszugeben.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.04.2011
Mittagsjournal, 23.04.2011
Mehrere Preistreiber
Die Preise für Weizen, Mais, Reis und Soja sind schon fast so hoch wie im Jahr 2008 - damals gab es in vielen armen Ländern Hungerrevolten, die Menschen gingen gegen die hohen Nahrungsmittelpreise auf die Straße. Auch jetzt ist die Lage bedrohlich, stellt Ex-EU-Agrarkommissar Franz Fischler fest. Dafür gebe es mehrere Gründe: Weltweit steigt die Nachfrage nach Fleisch, deshalb wird mehr Futtergetreide gebraucht. Schlechte Ernten im Vorjahr haben die Getreidevorräte aber schrumpfen lassen - beides treibe die Preise nach oben. Dazu kommt die Spekulation mit Finanzprodukten, die auf den Preis von Rohstoffen wetten, erklärt Franz Fischler. Er rechnet damit, dass diese Blasen wieder platzen und die Preise dann in den Keller fallen werden.
Landwirtschaft entwickeln
Unter diesen starken Preisschwankungen leiden besonders die Menschen in den Entwicklungsländern. Die Spekulation mit Lebensmitteln müsse daher streng geregelt werden, verlangt Fischler. Es sei ein Widerspruch in sich, dass jene, die die Lebensmittel produzieren, am ehesten Hunger leiden. Die reichen Länder sollten daher bei der Weiterentwicklung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern helfen. Doch das Gegenteil sei der Fall, sagt Fischler: "Vor 15 Jahren noch sind fast 20 Prozent der Entwicklungshilfe in die Landwirtschaft geflossen, und jetzt sind es nur noch fünf Prozent."
Erträge steigern
Alle Fachleute seien sich aber einig, dass eine moderne Landwirtschaft der Schlüssel gegen die Armut sei: "In Afrika gibt es noch viele Staaten, wo die Hektarerträge bei Getreide bei tausend Kilo liegen, und in Frankreich liegen sie bei zehn Tonnen." Es wäre relativ einfach, die Erträge in diesen Ländern zu verdoppeln, sagt Fischler und zitiert eine Studie, wonach man mit einem Zehntel der Militärausgaben den gesamten Hunger in der Welt beseitigen könnte.
Problem E10
Die Biosprit-Erzeugung wirke sich zumindest in Europa noch nicht auf die Lebensmittelpreise aus, sagt Franz Fischler. Denn nur zwei Prozent der europäischen Getreideernte werden derzeit zu Treibstoff verarbeitet. Sollte die EU aber an ihrem Ziel von 10 Prozent Biosprit-Anteil im Benzin festhalten, könnte das zum Problem werden.