Österreichische Dokumentarfilme

Die nicaraguanische Revolution und ihre Folgen

Mehr als dreißig Jahre ist sie her, die Revolution in Nicaragua. Als 1979 die Sandinisten mit Daniel Ortega an der Spitze die Somoza-Diktatur stürzten, feierte die Welt mit einem der ärmsten Länder Lateinamerikas dessen neu gewonnene Freiheit. Zwei österreichische Dokumentarfilme beschäftigen sich mit der nicaraguanischen Revolution und ihren Folgen.

"Einmal mehr als nur reden" erzählt von einer Gruppe junger Österreicher, die in den 1980er Jahren nach Nicaragua ging und half, das Land aufzubauen. "Nicaragua: Die vergessene Revolution" zeigt die Situation des Landes heute, wo zwar die Sandinisten wieder an der Macht sind, deren Regierung mittlerweile aber unter ganz anderen Vorzeichen steht. Ein Special im Wiener Schikaneder-Kino bietet jetzt Gelegenheit, sich eingehend über die derzeitige Situation in Nicaragua zu informieren und mit den Filmemachern zu diskutieren.

Kulturjournal, 26.04.2011

Der 19. Juli 1979. Die Sandinisten ziehen in der nicaraguanischen Hauptstadt Managua ein und beenden die mehr als 40-jährige Diktatur der Somoza-Familie. Zum Führungsgremium der Sandinisten gehört auch der 33-jährige Daniel Ortega. Damals jubelte er in die Fernsehkameras, feierte den Sieg des nicaraguanischen Volkes und verkündete lauthals den Kampfruf "Freies Vaterland oder Tod!".

Dreißig Jahre später hat sich das junge österreichische Filmteam Jenseide nach Nicaragua begeben. "Nicaragua: Die vergessen Revolution" heißt ihr Film und zeigt, was von den Träumen der Revolution übrig geblieben ist. Das Resümee ist ernüchternd. Die Sandinisten missbrauchen ihre Macht, sind in Korruptionsskandale verwickelt und gerade selbst dabei, ein diktatorisches Regime zu errichten.

Repressalien gegen Ernesto Cardenal

Zu den schärfsten Kritikern der Regierung zählt Ernesto Cardenal. Der Dichter war lange Zeit Mitglied der sandinistischen Befreiungsfront und in den Anfangsjahren der Revolution sogar Kulturminister. Mitte der 1990er Jahre verließ er aber enttäuscht die Partei. Im Film-Interview vergleicht er die derzeitige Situation im Land sogar mit der Zeit der Somoza-Diktatur.

Mehrfach wurde Cardenal bereits aus fadenscheinigen Gründen von Regierungsseite angeklagt. Film-Produzent Clemens Haslinger steht seit Jahren mit Ernesto Cardenal in Kontakt und erzählt, dass die Repressalien gegen den Dichter kein Ende nehmen.

Die Träume der Revolution verraten

Zu den Kritikern des Regimes zählt auch die Schriftstellerin Gioconda Belli. Ihr feministischer Roman "Bewohnte Frau" und ihre Autobiografie "Das Land unter meiner Haut" haben sie weltberühmt gemacht. Sie sieht in Daniel Ortega den Hauptverantwortlichen für die derzeitige Entwicklung und kritisiert, dass er die Träume der Revolution benutzt, um seine Position zu stärken.

Vom Danielismus spricht Belli sogar, was nicht übertrieben scheint, hat sich in den letzten Jahren doch ein Personenkult um Daniel Ortega entwickelt. Sein Bild ist allgegenwärtig und sogar eine Hymne wurde auf ihn verfasst.

Seit 2006 ist Ortega Präsident und laut Verfassung dürfte er bei den Wahlen im kommenden November nicht mehr kandidieren, da in Nicaragua ein Politiker nicht zweimal in Folge die Präsidentschaft ausüben darf. Ortega ließ jedoch den entsprechenden Verfassungsartikel vor einigen Monaten ändern. Die Opposition wirft Ortega Verfassungsbruch vor und auch Nicaraguas Bischöfe haben die Kandidatur jetzt als illegal bezeichnet.

Kinobus für Dörfer

Das Filmteam Jenseide hat gemeinsam mit dem von Ernesto Cardenal und Dietmar Schönherr gegründeten Kulturzentrum Casa de los tres mundos ein neues Projekt ins Leben gerufen. Ein Kinobus soll abgelegene Dörfer anfahren und in diesen Gemeinden, die oft nicht einmal über TV-Geräte verfügen, Filme zeigen. Vor wenigen Wochen erst war das Team im Land unterwegs, um ihre Dokumentation vorzustellen und musste die angeheizte Stimmung im Land am eigenen Leib erfahren.

Der Nicaragua-Abend, an dem auch die Dokumentation "Einmal mehr als nur reden" gezeigt wird, findet am Donnerstag, 28. April 2011, statt. Die Filmemacher werden anwesend sein.

Textfassung: Ruth Halle

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