Seite des Originalscripts von "Alice im Wunderland"

AP/MATT ROURKE

Kinderbuch als Stück für Erwachsene

Alice im Wunderland

Das Kinderbuch "Alice im Wunderland" von Lewis Carroll hat in den letzten 150 Jahren unzählige Künstler, Filmemacher, Musiker und Maler inspiriert. Allein 35 Kinofassungen existieren von dem Stoff, es gibt Mangas und Computerspiele und in der Musik von John Lennon, Tom Waits und Marilyn Manson finden sich Anspielungen auf das Buch.

34 verschiedene Übersetzer fühlten sich von dem absurd-anspruchsvollen Text Carrolls herausgefordert und es liegen zwölf Bühnenbearbeitungen vor. Eine davon stammt vom deutschen Dramatiker Roland Schimmelpfennig und diese ist ab Donnerstag, 12. Mai 2011, im Burgtheater Kasino zu sehen. Gespielt wird von Jugendlichen, den Teilnehmern und Absolventen des Theaterjahres, einem einjährigen Praktikum samt Ausbildung am Burgtheater.

Dunkler als Tim Burton

Weg vom amerikanischen Kitsch, von Disney und japanischer Zeichentrickserie und dunkler als Tim Burton sei diese "Alice im Wunderland", verspricht die Regisseurin Annette Raffalt, die mit den Jugendlichen des Theaterjahres die Schimmelpfennig-Version des Kinderbuchklassikers erarbeitet hat. "Das ist ein Stück für Jugendliche" und nicht für Kinder, meint sie, denn dieses Stück ist dunkel, die Musik laut und kraftvoll und die Bilder unheimlich und poetisch.

Schimmelpfennig hat die Geschichte sehr frei bearbeitet, seine Alice ist die ein zwölfjähriges Mädchen am Rande der Pubertät. Auf der Suche nach sich selbst und der Frage, wer sie ist, war und wird, wird sie groß und klein, überschätzt und unterschätzt sich und trifft auf die verschiedensten Gestalten, die sie mit ihren sehr spezifischen Lebensweisheiten beeinflussen wollen. Wie benimmt man sich, wie muss man sich anziehen, was muss man essen, um in Size zero zu passen und wie oft soll man sich die Zähne bleichen? Die Raupe wird zum kiffenden Rastaman, Humpty Dumpty zum schmierigen Zuhältertyp, und die Grinsekatze zum androgynen Schönling, der immer dann verschwindet, wenn Alice ihn braucht.

Wenn sie aufwacht, weiß man nicht, ob sie die Psychose los geworden ist oder nicht, so Raffalt, Alice wolle die Figuren bei sich behalten und am Ende sind sie immer noch da. Der Alptraum als Krise - und Schimmepfennig lässt auch die Figur des Autors und die echte Alice, die ihm als Vorbild diente, in das Stück hinein. Lewis Carroll hatte dem Mädchen Alice sogar einen Heiratsantrag gemacht.

Einfach, aber effektvoll

Die Wunderwelt lässt Annette Raffalt mit einfachen, aber effektvollen Mitteln entstehen - Schatten- und Zeichenprojektionen und die Livemusik von Matthias Jakisic zaubern Stimmung - und der Enthusiasmus der jugendlichen Darsteller verleiht dem Stück eine besondere Note. "Die sind spielfreudig, haben Lust", freut sich Raffalt.

"Alice im Wunderland" ist für Jugendliche ab 15 Jahren geeignet - und gerade diese Altersgruppe ist schwer ins Theater zu bekommen. Doch auch für Erwachsene gibt es in dieser "Alice"-Fassung noch viele neue Aspekte zu entdecken.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Roland Schimmelpfenning, "Alice im Wunderland", ab 12. Mai 2011, Burgtheater-Kasino,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

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