Haftstrafe bereits abgesessen

Demjanjuk nach Urteil frei

Das Landgericht München hat den gebürtigen Ukrainer John Demjanjuk (91) der Beihilfe zum Mord an rund 28.000 Juden im Vernichtungslager Sobibor vor 68 Jahren schuldig gesprochen. Wegen seines Alters und seines Gesundheitszustandes und auch, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, wird Demjanjuk vorerst auf freien Fuß gesetzt.

Abendjournal, 12.05.2011

"Teil der Vernichtungsmaschinerie"

Mit der Verurteilung Demjanjuks zu fünf Jahren Haft ist einer der womöglich letzten NS-Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland zu Ende gegangen. Der Prozess galt als historisch, weil mit Demjanjuk erstmals ein als KZ-Wärter von der SS zwangsverpflichteter Osteuropäer - ein sogenannter Trawniki - vor ein deutsches Gericht gestellt wurde. Demjanjuk war laut Urteil 1943 ein halbes Jahr in Sobibor an der massenhaften Judenvernichtung im Zuge der Aktion Reinhardt beteiligt. "Der Angeklagte war Teil dieser Vernichtungsmaschinerie", sagte der Vorsitzende Richter Ralph Alt in seiner Urteilsbegründung.

Verteidiger beruft

Obwohl keine Augenzeugen Demjanjuk identifizieren konnten, zeigte sich der Richter aufgrund von Akten und Gutachten von dessen Schuld überzeugt. Da das Lager Sobibor allein zur planmäßigen Ermordung von Menschen diente, habe sich jeder mitschuldig gemacht, der dort Dienst tat. Das Landgericht blieb mit dem Strafmaß leicht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die für Demjanjuk sechs Jahre Haft beantragt hatte. Dagegen hatte die Verteidigung einen Freispruch gefordert. Verteidiger Ulrich Busch kündigte an, Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) einzulegen.

Lange genug gesessen

Der frühere KZ-Wachmann wird nun trotz der Verurteilung zu fünf Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Nach zwei Jahren in Untersuchungshaft in München sei eine weitere Zeit im Gefängnis für den 91-Jährigen nicht verhältnismäßig, sagte der Richter. "Der Angeklagte ist freizulassen." Dementsprechend werde der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben. Mit dem Urteil des Landgerichts München bestehe keine Gefahr mehr, dass sich Demjanjuk seinem Prozess entziehe. Zudem sei er staatenlos und könne Deutschland nicht einfach verlassen.

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