Premiere bei den Wiener Festwochen

Robert Lepage am Mond

2009 war bei den Wiener Festwochen Robert Lepages Stück "The Anderson Project" zu sehen, 2010 sein neunstündiger Theatermarathon "Lipsynch". Am 20. Mai 2011 hat im Wiener Burgtheater Lepages Kultstück "The Far Side of the Moon" Premiere, mit dem der Kanadier seit über zehn Jahren durch die Welt tourt.

Kulturjournal, 20.05.2011

Zwei ungleiche Brüder

Die Waschmaschine wird zum Spaceshuttle, der Kleiderschrank zum Weltraumaufzug. In "The Far Side of the Moon" verknüpft Robert Lepage den amerikanisch-russischen Wettlauf um den Mond mit dem Schicksal eines ungleichen Brüderpaares.

Verträumt, verspielt, phantastisch: "The Far Side of the Moon" ist eine jener Eigenkreationen, für die Robert Lepage berühmt ist: Autor, Regisseur und Schauspieler in Personalunion. Letzteres hat er inzwischen an Yves Jacques abgetreten, der schon bei den Wiener Festwochen 2009 in "The Anderson Project" als Solodarsteller begeistert hat.

Stück über Robert Lepage

"Es ist ein großes Privileg für mich, von Lepage für dieses spezielle Stück ausgewählt worden zu sein", sagt Jacques. "Denn es steckt hier sehr viel aus seinem Leben, aus seiner Kindheit darin. Und während er das Stück geschrieben hat, ist seine Mutter gestorben. Auch das verarbeitet er. Alles dreht sich um die Liebe der zwei Brüder und ihr Streben zur Mutter. Auf der anderen Seite die Kosmonauten, Amerikaner und Russen, und ihr Streben zum Mond. Und der Mond ist gewissermaßen wieder die Mutter. Es ist eigentlich eine sehr intime Show über Roberts Leben."

Die zwei Brüder im Stück sieht Lepage dabei als eine Art zweigeteiltes Selbstporträt. Philippe und André, hat Lepage einmal gesagt, verkörpern alles, was er an sich mag, und alles, was er an sich hasst.

Der eine, Philippe, ein gescheiterter Akademiker, der in seiner Dissertation beweisen will, dass der Wettlauf um den Mond nicht durch Forscher-Neugier, sondern schlicht durch Narzissmus motiviert ist. Ein Sonderling, inspiriert von den Visionen russischer Raumfahrtpioniere. Der andere, André, Wetteransager im Fernsehen, ein oberflächlicher Erfolgsmensch.

"Es ist sehr schwierig. Der eine repräsentiert das Yin, der andere das Yang", so Jacques. "Das ist der Grund, warum ich beide Charaktere spiele. Der eine ist eher der Moneymaker, der andere der Philosoph. In uns haben wir manchmal diesen Konflikt. Geld oder die eigene Lebensphilosophie. Und im Stück dreht sich alles um solche Konflikte: Die USA und Russland in ihrem Wettlauf um den Mond. Und die zwei Brüder, die versuchen, die Liebe der Mutter zu gewinnen."

Musik für den Vater

Musik aus dem Film "Taxi Driver", als Hommage an Robert Lepages Vater, einem Taxifahrer. Viele autobiografische Bezüge, die jedoch auf der Bühne verborgen bleiben, mit historischem Bildmaterial verwoben werden oder in die wissenschaftlichen Exkurse Philippes übergehen.

Wenn man Robert Lepage als Theatermagier bezeichnet, sei sein Zauber in "The Far Side of the Moon" die scheinbare Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Technik und Liveperformance ineinandergreifen, so die großteils einstimmig begeisterte Kritikermeinung zum Stück.

Großes Vertrauen zu Yves Jacques

Seit mittlerweile fünf Jahren spielt Yves Jacques nun "The Far Side of the Moon", 200 Shows in aller Welt. Die Rolle von Lepage zu übernehmen, sei ihm dabei aber nicht leicht gefallen, was vor allem auch an dessen Arbeitsweise liege:

"Als ich es das erste Mal gesehen habe, sagte ich, ich kann das nicht tun! Die Sache ist die, dass Robert die Schauspielerei dazu nutzt, das Stück zu schreiben. Er improvisiert viel, und wenn er dann das Gefühl hat, das Stück steht, gibt er es an einen Schauspieler weiter. Und dann präzisiert er noch den Text und das Setting. Als ich dann zugesagt habe, habe ich zu Robert gesagt: deine Entscheidung, aber vielleicht ist das keine so gute Idee!"

Yves Jacques ist dabei der einzige Schauspieler, dem Lepage bisher die Rollen in seinen Soloarbeiten anvertraut hat: "Wir haben zusammen in Quebec City als Schauspieler begonnen. Ich war damals schon relativ bekannt, und Robert hat mich immer angesehen, so auf die Art 'Oh Mann, der arbeitet!'. Er musste dann seine eigenen Sachen schreiben, um arbeiten zu können. Und die waren dann großartig, ich wollte unbedingt mitmachen. Hier sind wir nun. Robert hat einmal gesagt, ich sei inzwischen so etwas wie ein Alter Ego von ihm. Das ist ein großes Kompliment."

Abgerundet wird diese poetische Reise auf die andere Seite des Mondes durch den von Laurie Anderson gestalteten Soundtrack.