"Lettische Liebe" bei den Wiener Festwochen
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Gerade in Liebesdingen liegen große Illusionen und die banale bis groteske Wirklichkeit oft weit auseinander. Dass Partnervermittlungsbörsen - auch dank Internet - dennoch boomen wie nie, ist eine gesellschaftliche Realität, der sich Alvis Hermanis' Ensemble im Stück "Lettische Liebe" annimmt.
26. April 2017, 12:23
Kulturjournal, 20.05.2011
Aus Langeweile geboren
Mit viel Liebe zum Detail wird hier eine Abfolge von Blind dates dargestellt, ganz unterschiedliche Menschentypen aus allen sozialen Schichten treten in Beziehung und trennen sich wieder. Regisseur Alvis Hermanis erzählt, wie er und seine Theatergruppe auf das Thema gekommen sind:
"Wir waren auf einer langen Tour in Frankreich und hatten oft nichts zu tun. Da begannen wir zu improvisieren: Wir lasen Kontaktanzeigen aus unseren lettischen Zeitungen und malten uns aus, wie es wohl wäre, wenn diese Dame mit jenem Herren zusammentreffen würde. So ist dieses Stück entstanden."
50 Biografien an einem Abend
Vom spießigen Außenseiter, der seine Hausschuhe in allen Variationen anbietet, bis hin zur abgetakelten ehemaligen Ballerina: Nicht weniger als 50 Biografien werden an diesem Abend vorgestellt - durchaus mit der Absicht, einen Querschnitt der lettischen Bevölkerung darzustellen, so Hermanis.
Dennoch sei "Lettische Liebe" in keiner Weise gesellschaftskritisch zu verstehen, so der Regisseur. Er verabscheue nicht so sehr wie Konzepttheater; Kunst habe poetisch zu sein und sich nicht um gesellschaftliche oder politische Probleme zu kümmern, meint er. Was er darstellen wolle, sei die Poesie, die in unseren privaten Dramen stecke, so Alvis Hermanis.
Eine Handvoll Schauspieler
Von Hermanis ist ja derzeit im Wiener Akademietheater die groß angelegte Inszenierung von Anton Tschechows "Platonov" zu sehen. Zur ganz eigenen Theaterpoesie, die Hermanis entwickelt hat, gehört auch die große Präzision, mit der seine Darsteller zu Werke gehen. In "Lettische Liebe" ist es nur eine Handvoll Schauspieler, die rund 50 Charaktere darstellen. Gespielt wird vor aufgemalten Kulissen, was einen schnellen Ortswechsel ermöglicht. Und so wandelt sich die Bühne, begleitet von Liedern des lettischen Musikers Jekabs Nimanis, innerhalb weniger Sekunden vom Wohnzimmer zum Sandstrand.
Etwa vier Stunden dauert diese Reise durch lettische Liebeswirren. Das Stück wird in lettischer Sprache gespielt und ins Deutsche simultanübersetzt.
Service
Wiener Festwochen - Lettische Liebe