Ausstellung und Performance
Walid Raad über die arabische Kunst
Der libanesische Künstler Walid Raad zeigt im Rahmen der Wiener Festwochen seine Performance "Scratching on Things I Could Disavow. A History of Art in the Arab World".
26. April 2017, 12:23
Der in New York lebende Künstler präsentiert eine sehr eigenwillige Kunstgeschichte der arabischen Welt: Wann sich die Scheichs entschlossen hätten, statt Sportwagen lieber Kunstwerke zu sammeln und statt Yachthäfen lieber Louvre-Ableger in den Emiraten anzulegen, ist dabei noch die populistischste Frage, die er stellt.
Die Performance, die im Kunstraum Thyssen-Bornemisza Art Contemporary bis 13. Juni 2011 über die Bühne geht, ist die jüngste Arbeit von Walid Raad. Nachdem er schon Ende der 1990er Jahre mit seiner Atlas Group eine sehr eigenwillige Geschichtsschreibung des Libanon vorgenommen hat: mit einem Archiv von Ton- und Bildaufzeichnungen, das um die Welt reiste.
Kulturjournal, 26.05.2011
Flache Welt
Walid Raad inszeniert für mich die Ausstellungs-Performance: Er führt mich als Erzähler durch sein Museum. Am Donnerstag, 26. Mai 2011, wird er erstmals gemeinsam mit einem deutschsprachigen Schauspieler den Museumsführer in zwei Sprachen geben.
Warum schrumpfen Kunstwerke plötzlich, warum wird die Welt so flach? Das sind die Fragen, die Walid Raad in seinem Museum erforscht. Er führt die Besucher zum Modell eines Museums in Beirut, in dem er alle Kunstwerke, die er je gemacht hat, ausstellt. Nicht nur das Museum, auch die Kunstwerke sind ins Winzigformat geschrumpft.
Gleich daneben schweben große Türrahmen im Raum, die ins Nirgendwo führen. Bestenfalls schlägt man sich den Kopf an einer Wand an, wenn man die Türen dieser flachen Welt durchschreiten möchte. Walid Raad erklärt: Warum kann man nicht durch diese Museumstüren gehen? Weil man schlecht gekleidet ist, oder die Securities einen abhalten? Nein, man kann nicht reingehen, weil die Welt so flach geworden ist. Und er meine das nicht metaphorisch, sondern wörtlich. Es möge psychotisch oder schizophren anmuten, aber seine Kunstwerke seien im Libanon wirklich geschrumpft.
Geheimnisvoll und künstlich
Für Walid Raad ist das der Beweis dafür, wie Jahrzehnte der Gewalt und des Krieges Kunst und Kultur auf sehr heimtückische Weise beeinflussen können. Man denke immer, der Krieg sei vor allem ein materielles Desaster, weil er Bibliotheken zerstört und Denkmäler in die Luft jagt. Tatsächlich zerstört er die Kunst aber auch in immaterieller Weise.
Tatsächlich ist die künstliche Welt, in die Walid Raad seine Museumsbesucher geleitet, sehr geheimnisvoll. Weil er seine Formgebungen nicht als künstlerisch, sondern als real deklariert, ist es eine Museumsführung mit leicht paranoidem Beigeschmack.
Textfassung: Ruth Halle