Gewerkschaft sieht "Provokation"
Klage gegen Sonntagsruhe
Beim Verfassungsgerichtshof ist diese Woche erstmals eine Beschwerde eingegangen, die das Verbot der Sonntagsöffnung generell in Frage stellt. Die Gewerkschaft der Handelsangestellten protestiert vehement und hofft, dass die Beschwerde scheitert.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 28.05.2011
"Gesetz zu starr"
Geschäftsleute aus der Wiener Lugner-City und Richard Lugner selbst wollen durchsetzen, dass Geschäfte überall in Österreich an speziellen Sonntagen im Jahr offenhalten dürfen. Die insgesamt neun Handelsfirmen argumentieren: Das Verbot der Sonntagsöffnung widerspreche dem Grundrecht auf freie Erwerbstätigkeit. Denn zwar gebe es eine regionale Ausnahmeregelung. Die Landeshauptleute könnten etwa für Tourismusgebiete oder Bahnhöfe die Sonntagsöffnung erlauben, aber zeitliche Ausnahmeregelungen gebe es nicht, sagt Lugner-Anwalt Christian Bachmann. Er fordert, dass an "besonders nachfrageintensiven Wochenenden" - etwa am oder vor dem Muttertag, zu Ostern oder vor Weihnachten, geöffnet werden darf. Das Gesetz sei zu starr und ausnahmslos und deshalb verfassungswidrig, sagt der Anwalt.
Gewerkschaft: "Provokation"
Grundlage für die Argumentation des Lugner-Anwalts ist ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Heinz Mayer. Handelsangestellten-Gewerkschafter Manfred Wolf gibt der Beschwerde aber wenig Chancen. Denn das Recht auf Sonntagsruhe sei in Gefahr, und: "Der Muttertag ist fast eine Provokation. Da muss er sich überlegen, wie er das den Müttern in den Handelsbetrieben erklärt, dass sie an ihrem Ehrentag, wo sie wertgeschätzt sein sollen, arbeiten dürfen." Und vor Weihnachten, "dem Fest der Familie", seien die Sonntage die einzigen von insgesamt 25 Tagen, an denen es garantierte Freizeit für die Beschäftigten gebe.
Nicht alle wollen mitmachen
Lugner-Anwalt Bachmann entgegnet, man könne doch ein arbeitsrechtliches Modellefinden, "das auch die Arbeitnehmerinteressen hinreichend berücksichtigt. Es muss auf Freiwilligkeit bestehen und auch das Entlohnungsschema muss reizvoll sein." Aber Gewerkschaftssekretär Wolf hält das für unrealistisch. Und schon jetzt gebe es im Einkaufszentrum Lugner-City "kleinere" Geschäftsleute, die mit den verpflichtenden Öffnungszeiten, nämlich bis 21 Uhr unter der Woche, keine Freude hätten. Sie hätten beklagt, dass sie offenhalten müssen zu Zeiten, in denen es sich für sie nicht rechnet." Dass sich von mehr als 100 Geschäften in der Lugner-City nur neun an der Verfassungsklage beteiligt haben, habe mit der Stimmung dort aber nichts zu tun, sagt Lugner-Anwalt Bachmann.
Strafen und Ausnahmen
Übrigens: Die oft türkischen Geschäfte in Städten, die am Sonntag offen haben, tun das laut Stadt Wien meist illegal, es werde auch kontrolliert und gestraft. Und kürzlich hat die Gewerkschaft einen großen Blumenhändler angezeigt, der Filialen an Sonntagen geöffnet hatte. Wenn sie eine entsprechende Gewerbeberechtigung haben, dürfen Gärtnereien und Floristen allerdings an sechs Sonntagen im Jahr offenhalten. Eine Regelung ganz ähnlich der also, die sich Lugner und Co. nun für alle Handelsbetriebe wünschen.
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