Markus Schinwalds Wandgeflecht
Biennale-Pavillon wird eröffnet
Am Mittwoch, 1. Juni 2011 wird der österreichische Pavillon bei der diesjährigen Biennale von Venedig eröffnet. Der Künstler, der Österreich heuer in Venedig vertritt, ist der 1973 in Salzburg geborene Markus Schinwald. Der Künstler hat im Hoffmann-Pavillon ein dichtes Wandgeflecht unbehaglicher Gänge eingezogen.
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 01.06.2011
Für Unheimliches bekannt
Schinwald zeigt seine Arbeiten seit Jahren von Taipeh bis Stockholm und ist für Kunstwerke bekannt, denen etwas Düster-Unheimliches anhaftet.
Nachdem dieser Tage alle Länderpavillons im Beisein der Journalisten eröffnet werden, gibt es am 4. Juni 2011 das große Eröffnungsfest der Biennale fürs breite Publikum.
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Labyrinth
Im Inneren des Pavillons hat Schinwald ein Labyrinth eingezogen, das der Stadt, in der es steht, gar nicht unähnlich ist: Die schmalen Straßen führen entweder in die Sackgasse, zu ungeahnten Schönheiten - oder beides.
"Es ist nicht so klaustrophobisch, wie ich erwartet habe", sagt Schinwald gegenüber der APA erleichtert. Auch das Tageslicht ist ihm lieb - "im Dunkeln wird es zu schwer". Ein unheilvoller Filmsoundtrack schwebt über den Gängen, eine dunkle Stimme spricht einen nur erahnbaren Text voller düsterem Pathos. Unbehagen darf man hier durchaus empfinden, zwischen den schmalen, hohen, weißen Wänden, die von der Decke hängen und nur am Fußende offen sind. Die meisten davon sind leer, ab und zu stößt man auf eines der acht gemalten Porträts oder erblickt, hoch oben, eine der fünf Tischbein-Skulpturen.
Altmeister-Porträts
Fast wähnt man sich in einem Sanatorium, einer psychiatrischen Anstalt aus früheren Zeiten, wo zwischen dem klinischen Weiß die stummgeschalteten Patienten lauern. Denn Markus Schinwalds Altmeister-Porträts sind "falsch restauriert": Kleine Prothesen zieren ihre Gesichter, goldene Geschirre sind über Nase und Mund gelegt oder zarte Verbände verhüllen den Mund. Sie starren dem Besucher entgegen hinter der einen oder anderen Ecke, wo man stets mit ihnen allein ist. Die anderen Gäste erkennt man durch schmale Spalten in der Wand, oder, wenn man sich bückt, sieht ihre Füße durch den Raum schreiten.
"Die ganze Ausstellung ist sehr auf Füße bezogen", sagt Schinwald. Warum? "Das ist der Teil, wo man immer hinschaut", lacht er und blickt an sich herunter. Die Tischfüße prangen an den Wänden wie Kruzifixe, die Wände scheinen auf den Füßen der Besucher zu sitzen. In den beiden Filmen, die Schinwald im Seitentrakt zeigt, stehen Fuß, Bein oder Schuh in der einen oder anderen Form im Zentrum: Da versucht einer, sich aus einem Spalt in einer Mauer zu befreien, in dem sein Schuh feststeckt (es ist jene Mauer, die auch den Eingang des Hoffmann-Pavillons verstellt und jener Spalt, durch den man ihn erkennen kann), ein Anderer zupft an seinen Hosenbeinen, eine Dritte beobachtet eine kleine Schachtel, die über den Fliesenboden flitzt.
Fremde Rituale
Es sind "fremde Rituale", bedeutungsfrei, die Schinwalds Filmfiguren vollziehen. Könnte man den Ton ausblenden, wäre es Slapstick. Beim Drehen habe man sich schiefgelacht, erzählt der Künstler. Aber die Komik bricht im dramatischen Sound - aus der Blödelei und Zappelei werden beunruhigende Neurosen. Er wolle es seinen Besuchern "nicht ganz unangenehm" werden lassen. Aber: "Es soll genau den Punkt überspringen, wo man sich ganz sicher fühlt." Klingt wie ein therapeutischer Grundsatz. Vielleicht unterziehen wir uns beim Durchschreiten der unbehaglichen Gänge einer kollektiven und doch vereinzelten Psychoanalyse, machen Stadien von Neurose und Psychose rasch hintereinander durch, verlaufen uns in der unterbewussten Landschaft, die von der Decke hängt.
Text: APA, Red; Audio: ORF