Laurence C. Smith stellt Prognosen an

Die Welt im Jahr 2050

"Prognosen sind schwierig - vor allem wenn sie die Zukunft betreffen." Was der dänische Physiker Niels Bohr so schön auf den Punkt gebracht hat, scheint Wissenschaftler, Autoren und Propheten nicht davon abzuhalten, immer wieder einen Blick in die Zukunft zu wagen. Einer, der aus beruflichen Gründen wissen will, was kommt, ist der amerikanische Wissenschaftler Laurence C. Smith.

Smith' Wort hat offenbar Gewicht. Der mehrfach ausgezeichnete Professor für Geografie, sowie Earth & Space Sciences beriet bereits die US-Regierung in Fragen des Klimawandels und lieferte bedeutende Beiträge des 4. UNO-Weltklimaberichtes 2007. Warum man ihm vertraut, kann man erahnen, wenn man sein neuestes Buch "Die Welt im Jahr 2050" liest. Ganz einfach hätte er, auch auf wissenschaftlichen Fakten beruhend, schockierende Horrorszenarien entwerfen können, doch Professor Smith bleibt bei der hochgerechneten Realität. Das ist Horror genug.

Keine Science-Fiction

Wer sich die Zukunft ähnlich wie Philip K. Dick, George Orwell oder Stanley Kubrick vorstellt, wird von der Vorausschau des Laurence C. Smith sicher enttäuscht sein. Zwar haben Science-Fiction-Autoren erstaunlich viele Entwicklungen vorhergesehen, - denken wir nur an den Communicator aus "Raumschiff Enterprise" - die meisten Fantasien wurden aber nicht Wirklichkeit. Noch nicht. Oder werden es auch nie sein.

Der Geowissenschaftler Smith lässt sich da auf gar keine Spekulationen ein. Seine umfangreiche, aber dennoch stets verständliche und kurzweilige Prognose beruht auf einer ausgeklügelten Kombination aus historischen Erkenntnissen mit aktuellen, gesicherten Fakten, hochgerechnet auf die nächsten 40 Jahre. Allein die Auflistung verschiedener Daten aus der Gegenwart ist für viele, vor allem ältere Erdenbürger, gelebte Science-Fiction, auch wenn sie sich manchmal gar nicht so spektakulär anhört.

So viel Treibhausgas wie vor 800.000 Jahren

2006 etwa war die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft erstmals niedriger als jene im Dienstleistungssektor. Seit 2008 leben zum allerersten Mal in der Weltgeschichte mehr Menschen in einer Stadt, als auf dem Land. Und: Die Konzentration der Treibhausgase in der Erdatmosphäre befindet sich auf einem Niveau, das es seit mindestens 800.000 Jahren nicht mehr gegeben hat. Professor Smith fragt daher zu Recht zunächst einmal: Wie weit sind wir 2011?

Gedankenexperiment

Was wird sich bis 2050 also ändern? Wie und wo werden wir leben? Was und wie viel wird von der natürlichen Umwelt noch übrig sein? Laurence C. Smith konzentriert sich bei seinen Berechnungen auf vier globale Kräfte: die Demografie, die natürlichen Ressourcen, die Globalisierung und den Klimawandel. Anhand hochentwickelter Computermodelle schätzt er die Zukunft des Bruttoinlandsprodukts einzelner Länder ebenso ein wie etwa die Entwicklung von Treibhausgasen.

Bei seinem "Gedankenexperiment" schließt er Einflüsse aus, über die man nur spekulieren kann: technische Meisterleistungen, ein dritter Weltkrieg oder nicht vorhersehbare Naturkatastrophen. Wie sieht sie also realistisch aus, die Welt 2050? Die Megatrends heißen wenig überraschend Wasserknappheit, Hitzewellen und Küstenüberflutungen.

9,2 Milliarden Menschen

Afrika stellt sich der Autor "als einen heruntergekommenen, übervölkerten und gefährlichen Ort" vor. Was die wirtschaftliche Vormachtstellung betrifft, deutet alles auf die sogenannten "BRICS"-Staaten hin - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Nach Schätzungen von Demographen wird die Welt von circa 9,2 Milliarden Menschen bevölkert sein. Weit mehr als die Hälfte wird in "wimmelnden Städten" leben. Neben der Bereitstellung von Nahrung wird die größte Herausforderung des Jahrhunderts die Versorgung mit Wasser sein. Doch wir werden nicht nur viele sein, wir werden auch viele Alte sein.

Norden wird bedeutender

Doch es gibt einen eindeutigen Gewinner all dieser Entwicklungen: der Norden oder - genauer gesagt - die um das arktische Meer liegenden acht Staaten Russland, USA, Kanada, Island, Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark. Dieses "Northern Rim Countries" oder "NORC" genannte Gebiet wird eine immens große wirtschaftliche und strategische Bedeutung bekommen. Der Hauptgrund dafür: Durch die Erderwärmung wird es möglich die dort vorhandenen, reichen Vorräte an Erdöl und Erdgas, Mineralien, Fisch und Wasser zu nutzen.

Der "neue Norden" wird als Region mit außerordentlich großem Potenzial dargestellt. Durch das Schmelzen des Pols könnten etwa zusätzliche Schifffahrtsrouten und völlig neue Handelsströme entstehen oder der Tourismus in heute noch unbedeutenden Hafenstädten aufblühen. Als Beispiel einer aufstrebenden Region wird immer wieder Fort McMurray in der kanadischen Provinz Alberta genannt. Dort vermutet man im Ölsand einer gigantischen Ebene von der Größe Bangladeschs 175 Milliarden Barrel Erdöl. Mehr gibt es nur in Saudi-Arabien.

Änderungen möglich

Als neue Heimat für Flüchtlinge aus dem Süden sieht der Autor den auch 2050 unwirtlichen Norden jedoch nicht. Viel eher als Versorger und Wachstumsförderer gigantischer Städte auf der ganzen Welt. Professor Smith betont, dass die ausgemachten Trends sehr träge, aber niemals unausweichlich seien. Die Hoffnung liegt in der Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit des Einzelnen.

Neueste Untersuchungen über öffentliche Daten etwa, die auf Facebook gepostet wurden, haben gezeigt, dass individuelle Handlungen unerwartet großen Einfluss auf Fremde ausüben. Die Welt im Jahr 2050, so wie Smith sie skizziert, ist also jederzeit offen für Abänderungen aller Art.

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Laurence C. Smith, "Die Welt im Jahr 2050. Die Zukunft unserer Zivilisation", aus dem Englischen übersetzt von Martin Pfeiffer und Udo Rennert, DVA

DVA - Laurence C. Smith