Quelle wird vielleicht nie gefunden
EHEC-Krimi ohne Lösung?
Die Sektionschefin für öffentliche Gesundheit, Pamela Rendi-Wagner, erwartet kein rasches Ende der EHEC-Infektionswelle. Möglicherweise werde die eigentliche Quelle auch nie gefunden, so Rendi-Wagner. Im Ö1-Interview "Im Journal zu Gast" rät sie zu erhöhter, aber üblicher Hygiene und gibt Entwarnung für österreichische Lebensmittel.
8. April 2017, 21:58
"Esst österreichische Lebensmittel!"
Gesundheitsdirektorin Rendi-Wagner "Im Journal zu Gast" am 04.06.2011 bei Franz Simbürger
Warnung nur für Norddeutschland
In Österreich sei der deutsche Bakterienstamm nach wie vor nicht verbreitet, sagt die Expertin. "Wir raten auch, österreichisches Obst und Gemüse zu essen." Die Warnung vor dem Verzehr von rohen Lebensmitteln gelte nur für den Raum Norddeutschland. Wichtig sei in jedem Fall das gründliche Waschen von Gemüse, und auch das Schälen, wenn möglich, minimiere das Infektionsrisiko. Vom Einsatz von speziellen Desinfektionslösungen im Haushalt, wie sie von Firmen derzeit angeboten werden, rät die Medizinerin ab.
Kranke Deutsche in Österreich
Das Ländermatch Österreich-Deutschland in Wien könnte auch zu einer weiteren Verbreitung beitragen. Es sei zwar keine Ansteckungswelle wie bei einer Tröpfcheninfektion (durch niesen oder husten) zu erwarten, und man habe auch auf die verstärkte Toilettenhygiene hingewiesen, erläutert die Expertin. Aber man sei darauf vorbereitet, dass deutsche Fans, die in Österreich geblieben sind, in den nächsten Tagen an Durchfall erkranken. Auch eine Übertragung auf andere Menschen sei nicht auszuschließen. Eine Absage das Großereignisses wäre aber keinesfalls gerechtfertigt gewesen.
Nicht tödlicher als sonst
Dass derartige Ausbrüche in letzter Zeit vermehrt auftreten, will Rendi-Wagner nicht so sehen. Vielmehr sei das ein Zeichen dafür, dass die Warn- und Kontrollsysteme immer besser werden. Die Medizinerin weist auch die Darstellung zurück, dass der neue Bakterienstamm besonders aggressiv oder gar tödlich sei: Nach den ihr vorliegenden Zahlen liege die Letalitätsrate bei einem Prozent, und das sei ein für EHEC-Erkrankungen üblicher Wert. Überhaupt gebe es immer wieder derartige Epidemien, auch in Österreich, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie derzeit in Deutschland.
80 Prozent unaufgeklärt
Gesicherte Schlüsse über die Herkunft des Keims will und kann auch Rendi-Wagner nicht ziehen. Es gebe zu wenige Daten, "wir schauen da einen Krimi an, und irgendwie hört der nicht auf." Eine derartige Ermittlung, eine "outbreak investigation" sei sehr aufwändig. In detaillierten Befragungen würden Zeitpunkte der Ernährung genau erfasst, andererseits im mikrobiologischen Labor die Keime der Erkrankten geklärt. Beim anschließenden Zusammensetzen dieser Puzzle-Steine sei man aber noch nicht fündig geworden. Man müsse auch damit rechnen, dass man die Quelle niemals findet. 80 Prozent aller derartigen Ausbrüche blieben unaufgeklärt.
Gesundheitspolitische Ziele
Abgesehen von der EHEC-Epidemie und anderen Krisen umfasst der Aufgabenbereich der Gesundheitsdirektorin vor allem den Bereich Vorsorge. Als größte Herausforderung für die österreichische Gesundheitspolitik betrachtet Rendi-Wagner das Älterwerden der Gesellschaft und die Finanzierung der nötigen Pflege. Ziel müsse es sein, dass die Menschen gesund älter werden. Entsprechend werde auch ein Gesundheitsrahmenplan für die nächsten Jahrzehnte formuliert. Um aufzuklären, was gesund ist und was nicht, müsse man im Bildungsbereich ansetzen.
Seit 1. März 2011 ist Priv. Doz. Dr. med. Pamela Rendi-Wagner mit der Leitung der Sektion III, Öffentlicher Gesundheitsdienst und medizinische Angelegenheiten, im Bundesministerium für Gesundheit betraut.