Der Regisseur im Interview

Castorfs beeindruckender "Spieler"

"Der Spieler" von Fjodor Dostojewskij ging gestern bei den Wiener Festwochen über die Bühne. Als Premiere einer sehr eigenwilligen Romanadaptierung von Frank Castorf, dem langjährigen Leiter der Berliner Volksbühne.

Regieberserker Frank Castorf ist immer wieder Gast bei den Wiener Festwochen und hat bereits mit Dostojewskiinszenierungen von "Schuld und Sühne" oder "die Dämonen" das österreichische Publikum begeistert. Dies gelang ihm auch mit "Der Spieler".

Kulturjournal, 10.06.2011

Dostojewski ist immer der Schlag in die Fresse

Dostojewskijs "Spieler" und seine Beschreibung des Verlusts der Selbstkontrolle im Spiel auf die heutige Zeit zu projizieren, hielte Regisseur Frank Castorf für ein übertriebenes Adeln der Gegenwart, wie er sagt. Castorf kritisiert die Dieter-Bohlen-Langeweile einer lethargisch gewordenen Gegenwart in der sich die Linken zu gut dafür geworden seien, einem Bettler Geld zu geben, weil angeblich das System dafür verantwortlich sei, solche Zustände zu ändern. Bei aller Kritik an saturiert gewordenen Ideologien braucht es für Castorf aber eine Wiederbelebung von Ideologien, im Sinne von An-etwas-glauben-können, um einen Ausweg aus der herrschenden Leere finden zu können.

An Dostojewskij schätzt Castorf das Terroristische im Denken. "Mich interessiert nicht, was ein grüner Minister, oder eine schwarze Kanzlerin oder ein roter Regierender Bürgermeister sagt. Ich habe das Gefühl, dass wir uns viel zu sehr auf den Konsens einlassen. Theater ist ein exklusives anarchistisches Institut, das machen kann, was ihm durch seinen kaputten Kopf geht." Konsens, wie etwas zu funktionieren habe, sei grenzenlos langweilig, wirklich wach rütteln so intensive Gefühle wie Hass.

Zur Situation der ins Trudeln geratenen Volksbühne, an die Castorf vertraglich bis 2013 gebunden ist, sagt der Regisseur, dass sich die Zeiten eben geändert hätten. Berlin sei nicht mehr heiß oder kalt, Berlin sei cool, das sei ein schwieriges Umfeld für die Volksbühne.

Und die Zukunft? Er sei gerne in Kuba und in Paris., er könnte sich mehr um seine vielen Kinder kümmern, und: "Theater ist ein wunderbarer Scherz, aber jetzt bin ich 60, da kann man auch sagen, es reicht doch."

Kultur aktuell, 10.06.2011