Regierung: Kontrolle und Propaganda als Reaktion

China: Soziale Spannungen steigen

Soziale Spannungen treten in China jüngst immer häufiger offen zu Tage. Nach wochenlangen Protesten in der Inneren Mongolei sorgen jetzt Demonstrationen in einer Bezirksstadt der Provinz Hubei für Aufsehen. Hong Konger Menschenrechtsorganisationen berichten von schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Regierung reagiert mit Propaganda und Medienkontrolle.

Mittagsjournal, 11.06.2011

Engagierter Lokalpolitiker

Ran Jianxin war ein kleiner Provinzpolitiker und bei den Bauern im Bezirk Lichuan sehr beliebt. Offen hat sich Herr Ran für deren Anliegen eingesetzt. Etwa wenn die lokalen Behörden den Bauern Land für die Projekte der örtlichen Wirtschaftselite weggenommen und sie dafür nur mangelhaft entschädigt haben. Dass sich Herr Ran vor die Bauern gestellt und sich so mit den Kollegen der eigenen Behörde angelegt hat. Das könnte ihm das Leben gekostet haben.

Demonstrationen wegen Tod des Politikers

Ende Mai wird Herr Ran festgenommen, man wirft ihm Korruption vor, zehn Tage später ist er tot. Gestorben in Polizeigewahrsam. Seither demonstrieren in der Lichuan Hunderte aus den umliegenden Dörfern gegen die Lokalregierung. Sie versuchen die örtliche Parteizentrale zu stürmen. Mehr als tausend schwer bewaffnete Polizisten sind seither auf den Straßen der Stadt unterwegs. Lichuan ist kein Einzelfall. In der Nachbarprovinz hat jüngst ein verbitterter Mann mit einer Bombenserie gegen Regierungsstellen für Aufsehen gesorgt.

Mongolen fühlen sich benachteiligt

Doch am meisten Kopfzerbrechen bereitet den Führern in Peking derzeit die innere Mongolei. In dieser Provinz im Norden ist jetzt ein lange schwelender ethnischer Konflikt offen ausgebrochen. Die mongolische Minderheit füllt sich gegenüber der Mehrheit der Han-Chinesen benachteiligt. Nach Protesten mongolischer Hirten, denen sich auch Studenten angeschlossen haben, ist das Militär in mehrere Städte eingerückt. Augenzeugen berichten von Ausgangssperren, die über ganze Regionen verhängt wurden. Die Regierung in Peking, nach den jüngsten Revolten im Nahen Osten ohnehin schon alarmiert, hat versprochen, sich stärker um die Anliegen und Klagen der Unzufriedenen zu kümmern und korrupte Provinzpolitiker zu bestrafen. Was immer häufiger auch passiert, um den Volkszorn zu mildern.

Absolute Kontrolle: "Soziales Management"

Doch letztlich reagiert man wie immer, geht mit Polizeigewalt gegen Demonstranten vor. Das Sagen in Peking haben zunehmend wieder die Hardliner, die Chinas Gesellschaft stärker in allen Bereichen kontrollieren und jeglichen Widerspruch im Keim ersticken wollen. Die von Präsident Hu verkündete Theorie des sozialen Managements ist das politische Schlagwort der Stunde. Darunter versteht man nicht weniger als die absolute Kontrolle über die öffentliche Meinung, das Internet und über die Medien.

Propaganda gegen soziale Spannungen

Die Propagandamaschine läuft auf Hochtouren. Strahlende, zufriedene Angehöriger nationaler Minderheiten werden im nationalen Fernsehen vorgeführt, die wirtschaftlichen Errungenschaften der Kommunistischen Partei kurz vor dem 90. Jahrestag ihrer Gründung zelebriert. Dass Chinas Führer seit der Öffnungspolitik vor gut 30 Jahren dem Land einen erstaunlichen wirtschaftlichen Aufschwung beschert haben steht außer Zweifel. Ebenso aber auch, dass dieser Aufschwung soziale Spannungen ausgelöst hat, die mittlerweile ein schon bedrohliches Ausmaß erreicht haben.