EU-Kommission startet Budgetverhandlungen

Großes Feilschen in Brüssel

Die EU-Kommission berät am Dienstag den ersten Entwurf für den EU-Haushalt 2014-20. Dabei soll es zu Kürzungen im Landwirtschaftsbereich kommen. Davon könnten auch die heimischen Bauern betroffen sein. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) versucht, möglichst geringe Einsparungen für die Bergbauern auszuhandeln.

Mittagsjournal, 29.6.2011

Kompliziertes Abgabensystem

Die USA machen in einem Jahr so viele Schulden wie Europa in sieben Jahren ausgibt: 925 Milliarden Euro. Und China kann diese Summe jedes Jahr ausgeben. Natürlich ist dies eine unfaire Rechnung. Denn zusätzlich verfügt jeder EU-Staat über sein eigenes Ausgaben-Budget in Milliardenhöhe. Aber zumindest die Größenordnung wird klar.

Das EU-Budget selbst ist eine komplizierte Angelegenheit. Brüssel hebt keine eigene Steuer ein, sondern die europäischen Steuerzahler liefern einen Teil ab. Zölle, aber vor allem ein Anteil der Mehrwertsteuereinnahmen und ein geringer Teil der Wirtschaftsleistung des EU-Staates, nur ein Prozent, werden nach Brüssel überwiesen. Diese Struktur verkompliziert die Sache nicht nur, sie führt auch zu regelmäßigen Streitereien.

"Die Nacht der langen Messer"

Die Schlussverhandlung über die endgültige Summe und Verteilung des Geldes wird auch die "Nacht der langen Messer" genannt. Denn damit überhaupt ein Budget zustande kommt, wird gefeilscht. Den Staaten werden dutzende Ausnahmen gewährt. Der Britenrabatt ist die bekannteste, aber nicht die einzige. Im aktuellen Haushaltsplan gibt es 41 solcher Ausnahmen. Österreich etwa muss ebenso wie Deutschland, die Niederlande und Schweden weniger Zolleinnahmen und Mehrwertsteuer abliefern als andere Nettozahler.

Seit Jahren versucht die Kommission dieses komplexe und undurchsichtige System gläserner zu machen. Auch im heutigen Entwurf wird ein Reformvorschlag enthalten sein, berichtet ein hochrangiger Budgetverhandler aus der Kommission. Bestimmte Einnahmequellen sollten durch "progressive Beiträge" ersetzt werden, heißt es. "Künftige Einnahmen sollten an Tätigkeiten geknüpft werden". Im Klartext soll eine neue, direkte Einnahmequelle für die EU gefunden werden, beispielweise eine Steuer auf Finanzgeschäfte.

Weniger Geld für Landwirtschaft

Die zweite Schwachstelle ist die Verteilung des Geldes. Der EU-Haushalt gilt als ein "Relikt der Vergangenheit", hauptsächlich ausgerichtet auf Landwirtschaft und den Zusammenhalt in Europa. Fast zwei Drittel des Budgets werden also für die Produktion von Nahrungsmitteln oder für die Regionen ausgegeben. Gilt es aktuelle Herausforderungen zu meistern, wie die Schuldenkrise, mehr Forschung oder den Klimawandel, ist Kreativität gefragt. Dafür gibt es nämlich keine eigenen Töpfe.

Barroso will hier den Rotstift ansetzen und weniger Geld für Landwirtschaft ausgeben, denkt aber auch eine Regeländerung. So soll die Kofinanzierung lockerer gehandhabt werden. Jedem EU-Euro steht ja ein nationaler Beitrag gegenüber. Es sei schwer vorstellbar, argumentiert ein EU-Diplomat, wie Deutschland eine Energiewende vollziehen möchte ohne den Ausbau von Stromleitungen.

EU-Parlament verlangt mehr Geld

Fazit der Kommission: weniger einzelstaatliche Projekte aber mehr paneuropäische. Also Infrastruktur fördern, die sich über mehrere Staaten erstreckt, sagt der Topverhandler. Doch dafür braucht man Geld. Die dritte Schwachstelle.

Großbritannien, Deutschland und die Niederlande stehen so stark wie noch nie auf der Bremse. Sie wollen eine minimale Erhöhung um ein Prozent. Das EU-Parlament, das voll mit am Verhandlungstisch sitzt, verlangt hingegen ein Plus von fünf Prozent. Zwischen diesen beiden Stühlen sitzt die Kommission. Sie wird noch heute oder spätestens morgen ihren Vorschlag präsentieren. Der Startschuss für zähe und langwierige Verhandlungen. Bis jetzt gibt es nur einen Termin, der fix ist. Am 1. Jänner 2014 muss dieses Budget genehmigt sein.

"Der Kampf beginnt jetzt!"

Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich im Interview mit Paul Schiefer.

Enormer Verteilungskampf

Die EU will im Agrarbereich kürzen. Das soll auch die österreichischen Bauern betreffen. Bereits vor Monaten seien extreme Kürzungen angekündigt worden sein, bestätigt Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Die ersten Aussagen der Kommission bewegten sich zwischen 25 und 30 Prozent. "Wir arbeiten seit Wochen hinter den Kulissen und es bewährt sich, Allianzen mit Deutschland, Frankreich und den unmittelbaren Nachbarländern zu schließen", sagt Berlakovich und betont, dass da auch schon einiges erreicht worden wäre. Die Kürzungen dürften nicht ganz so heftig ausfallen, wie ursprünglich angekündigt, jedoch der eigentlich Kampf beginne erst jetzt.

Beim ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission hätten die Kürzungen vor allem die österreichischen Bergbauern getroffen. Doch hier sei es gelungen, die größten Härten abzuschwächen, betont Berlakovich, aber es seien noch einige Hürden zu nehmen. Derzeit könne man gar nichts ausschließen, so der Minister: "weil es einen enormen Verteilungskampf gibt."

Unterstützung für Bergbauern

Die Nettozahler möchten weniger einzahlen, die osteuropäischen Länder hätten gerne mehr Geld und die Kommission möchte kürzen. Da könne es sowohl die Bergbauern, wie auch die Biobauern oder die Ackerbauern treffen: "Mir geht es darum, dass wir den Bergbauern Unterstützung geben. Die brauchen wir für den Tourismus und die Lebensmittelproduktion", sagt Berlakovich. Ohne Subventionen würde im alpinen Raum niemand mehr wirtschaften.

Der Finanzvorschlag der europäischen Kommission wird jetzt etwa ein bis eineinhalb Jahre lang intensiv diskutiert. Dann soll es ein verbindliches Ergebnis geben.