Arabische "Spielräume"-Nacht
Der Sand der Wüste auf der Zunge
Es ist die Geschichte einer unerfüllten Liebe, die Selim Nassib in seinem Roman "Stern des Orients" beschreibt. Die Ersehnte ist Umm Kuthum. Jene Sängerin, der es gelang, die bevölkerten Straßenzüge der arabischen Welt zu leeren, wenn sie im Radio zu hören war. Zunächst begann ihr Weg aber durchaus steinig.
8. April 2017, 21:58
Ein Mädchen in Männerkleidung
Geboren in dem kleinen ägyptischen Dorf Tamay az-Zuhaira (wahrscheinlich 1902 oder 1904), begann sie ihre Karriere zunächst mit religiösen Gesängen. Umm Kulthums Vater war Imam, also Vorbeter der dörflichen Moschee und seine Tochter erhielt den Namen eines Kindes des Propheten Mohammed.
Traditionellerweise wurde Umm Kulthums Bruder ausgebildet, aber auch sie selbst lernte neben den Liedern auch den Koran auswendig. Dem Vater blieb die aussergewöhnliche Begabung seiner Tochter nicht verborgen, es wäre allerdings undenkbar gewesen, ein Mädchen öffentlich singen zu lassen, und so wurde Umm Kulthum als "Beduinenknabe" verkleidet.
Kairo - Mittelpunkt der arabischen Musikwelt
Als sie in den 1920er Jahren nach Kairo übersiedelte, glich ihr Aufstieg einem Kometen. Ihre Stimme, ihre perfekte Beherrschung jeglicher Form von Modulation und die Intensität, mit der sie die Gedichte interpretierte, machten sie zum "Stern des Orients".
Eine besondere Sternstunde war das Lied "Inta Omri" (Du bist mein Leben), das Mohammed Abdel Wahab 1963 für sie komponierte. Er war einer der großen Erneurer des arabischen Liedes. Sein Verständnis davon fasste er mit den Worten zusammen: "Wir können und dürfen nicht mit unserer Tradition brechen, denn das Neue ist die natürliche Weiterentwicklung dieser Tradition."
Das Neue kam vorallem aus dem Westen und so finden sich in den arabischen Liedern aus den 1920er Jahren nicht nur Walzer oder Tangos, sondern auch Einflüsse des opernhaften Gesangsstils und ein neuer Umgang mit Tonalität (Chromatik).
Layali - Die Nächte
Ein traditionelles Element arabischer Musik bildet die Improvisation. Wird dabei über einen bestimmten Maqam (Modus) intrumental improvisiert, spricht man von "Taqsim". Die vokale Entsprechung ist ein Layali. "Layali" bedeutet auf arabisch "Nächte". Die Bezeichnung kommt daher, dass über Worte wie "ya leili ya eini " (Meine Nacht! mein Auge!) improvisiert wird.
Begleitet wird die Sängerin oder der Sänger meist nur von einem einzigen Instrument (bei einem Ensemble wechseln sich die Intrumente ab). "leil", die "Nacht" ist aber nicht nur ein Wort, das wie Sand der Wüste auf der Zunge schmeckt. Es ist auch eine poetische Metapher für den/die Geliebte/n.
Arabische Nächte heute
Traditionelle Musik ist immer noch fester Bestandteil der arabischen Kultur. Allerdings hat sich auch zunehmend eine Musikszene entwickelt, die in Richtung Jazz, Pop und Elektronik unterwegs ist. Vielfach hindert aber der Mangel an Auftrittmöglichkeiten die jungen MusikerInnen an der Weiterentwicklung.
Zwei Initiativen sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben: die Etablierung des Cairo Jazz Club (übrigens durch den "halben" Österreicher Alexander Rizk) und die Gründung des Festivals Jazz lives in Syria, das seit 2005 in Damaskus stattfindet.
Wie es nach dem "Arabischen Frühling" musikalisch weitergeht, steht allerdings derzeit noch in den Sternen.