Autor von "Die Glasfresser" in Wien

Giorgio Vasta beim Festival o-töne

Beim Literaturfestival o-töne im Wiener Museumsquartier wird am Donnerstag, 21. Juli 2011 der italienische Schriftsteller Giorgio Vasta zu Gast sein. Sein Roman "Die Glasfresser" führt zurück ins Jahr 1978 und damit in die Zeit, als in Italien der Terror der Roten Brigaden mit der Entführung und Ermordung Aldo Moros seinen tragischen Höhepunkt erreichte.

Geschildert werden die damaligen Ereignisse aus der Perspektive eines Elfjährigen. Kultur aktuell hat mit dem Autor über seinen Roman und das bis heute hochbrisante Thema "Rote Brigaden" gesprochen.

Kultur aktuell, 21.07.2011

Einschnitt in der italienischen Zeitgeschichte

Das Jahr 1978 stellte einen bedeutenden Einschnitt in der italienischen Zeitgeschichte dar. Es kam zu einer Radikalisierung in der Gesellschaft, der bewaffnete Kampf wurde zum geflügelten Wort. Der elfjährige Nimbus beobachtet gemeinsam mit zwei Klassenkollegen aufmerksam das Geschehen.

"Diese drei Elfjährigen befinden sich in einer doppelten Randposition", erläutert Giorgio Vasta. "Einerseits leben sie in Palermo und damit weitab vom gesellschaftspolitisch brisanten Geschehen. Die Zentren der Roten Brigaden waren nämlich Rom, Mailand, Turin und Genua. Andererseits macht die drei ihr Alter zu einer Randgruppe, denn als Elfjährige waren sie von dieser Radikalisierung, die ja von jungen Erwachsenen betrieben wurde, ausgeschlossen. Sie beobachten das Geschehen zwar von außen, empfinden dabei aber eine große Nähe zu den Roten Brigaden und vor allem auch zu ihrer Sprache."

Schwülstige Revolutionsromantik

Die ist getragen von einer schwülstigen Revolutionsromantik. "Gewalt ist eine Ästhetik, ein Stil. Ein Projekt", heißt es da etwa im Buch und es sind derart leere Worthülsen, die auf die drei so verführerisch wirken und sie immer weiter radikalisieren. Auf fast unheimliche Weise nimmt der junge Nimbus immer mehr die Sprache der Terroristen an.

"In der Recherche zu meinem Roman habe ich eingehend die Rhetorik der Roten Brigaden studiert", sagt Vasta. "Ich habe all ihre Kommuniqués aus den 70er- und 80er-Jahren gelesen, was teilweise sehr bestürzend war. Was Leonardo Sciascia in seinem Buch 'Die Affäre Moro' festgestellt hat, dass nämlich die Geschichte der Roten Brigaden eigentlich die Geschichte eines sprachlichen Scheiterns ist, kann ich nur bestätigen. Die haben einfach eine Sprache gesprochen, mit der keine Kommunikation möglich war. Die Sprache der offiziellen Politik scheiterte aber ebenfalls. Ich habe mir auch die Texte von Aldo Moros Parlamentsreden und seine Briefe, die er aus der Gefangenschaft geschrieben hat, durchgelesen und auch deren Sprache war über weite Strecken völlig konfus und unlogisch."

Die Anziehungskraft des Bösen

Letztendlich ging es Giorgio Vasta aber nicht um eine Rekonstruktion der damaligen historischen Ereignisse, sondern um die Anziehungskraft des Bösen. Eindrücklich beschreibt er die fortschreitende Radikalisierung der drei Freunde. Alles beginnt wie ein unschuldiges Kinderspiel, wenn sie sich die Schädel rasieren und Tarnnamen annehmen, führt aber schnell zu ersten Vandalenakten und schließlich zu völlig unmotivierten Gewaltverbrechen.

Gerade als Vasta die erste Fassung des Romans fertig gestellt hatte, zeigte es sich, dass er mit seiner fiktiven Geschichte ganz knapp an der Realität dran war: "Damals, im September 2007, kam es in Italien zu Verhaftungen im Zusammenhang mit den Neuen Roten Brigaden. In den Tageszeitungen gab es daraufhin zahlreiche Analysen, warum die Roten Brigaden nach mehr als dreißig Jahren noch immer solch eine Wirkung besitzen. In einem Artikel wurde auch eine Meldung aus dem Jahr 1980 zitiert. Damals wurden in Sizilien zahlreiche Vandalenakte begangen, die alle mit dem Stern der Roten Brigaden gekennzeichnet waren. Als Verantwortliche entlarvte man aber schließlich drei Burschen im Alter zwischen zehn und vierzehn Jahren."

Bachmannpreis-Gewinnerin bei den o-tönen

Am Donnerstag, 21. Juli 2011 um 19:30 Uhr wird Giorgio Vasta bei den o-tönen im Museumsquartier seinen Roman "Die Glasfresser" präsentieren. Um 20:30 folgt dann die diesjährige Gewinnerin des Ingeborg Bachmann-Preises Maja Haderlap. Sie wird aus ihrem Debütroman "Engel des Vergessens" lesen.

Service

Giorgio Vasta, "Die Glasfresser", DVA Verlag

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