Sicherheitsmängel vertuscht?

Korruptionsgerüchte um Superschnellzüge

Ein verheerendes Zugunglück hat zu einer Diskussion über die Sicherheit des größten Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetzes der Welt geführt. Seit längerem wird über Sicherheitsmängel und Korruption bei der Vergabe von Bauverträgen spekuliert. Den Behörden wird vorgeworfen, die wahre Unfallursache vertuschen zu wollen.

Mittagsjournal, 27.07.2011

Welle an Kritik

Offiziell wird ein Blitzschlag für den Zusammenstoß zweier Hochgeschwindigkeitszüge verantwortlich gemacht, bei dem nach offiziellen Angaben fast 40 Menschen getötet wurden. Nur Stunden nach dem Unglück am vergangenen Wochenende hatte die zentrale Propagandabehörde in Peking den Medien bereits klare Richtlinien zur Berichterstattung vorgeschrieben. Die Aussagen von offizieller Seite zur Eisenbahnkatastrophe dürften nicht hinterfragt oder in Zweifel gezogen werden. Diese Vorgangsweise ging nach hinten los und hat zu einer Welle an Kritik in Internetforen geführt. Dass die Waggonwracks am Unfallort in eilig ausgehobenen Gruben vergraben wurden, anstatt sie genau zu untersuchen, hat Spekulationen nur noch angeheizt, die Behörden würden hier etwas vertuschen wollen - ein PR-Desaster.

Korruptionsgerüchte

Dabei gilt Chinas Hochgeschwindigkeitsnetz als eines der prestigeträchtigsten Projekte des Landes, das wie kaum ein anderes Chinas Fortschritt veranschaulichen soll. In nur wenigen Jahren hat man mehr als zehntausend Kilometer an Hochgeschwindigkeitstrassen errichtet. Jüngst wurde die neueste, gut 1.300 Kilometer lange Strecke zwischen Peking und Shanghai eröffnet, nach gerade einmal dreijähriger Bauzeit. Seit der Eröffnung treten aber immer wieder technische Probleme auf. Es gibt Gerüchte, wonach bei der Vergabe von Bauverträgen enorme Mengen an Schmiergeld geflossen sind, wonach viele Arbeiten nur mangelhaft durchgeführt wurden, wodurch Sicherheitsprobleme entstanden sind.

Mangel an Kontrolle

Die Gerüchte wollen nicht mehr verstummen. Chinesische Eisenbahnexperten wie Zhu Jianrong sprechen selbst in der Öffentlichkeit von klaren Fehlern, die gemacht wurden: "Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir nicht zu viel Gewicht auf die Geschwindigkeit gelegt haben und zu wenig auf Qualitätskontrollen. Solche Kontrollen werden ja nur dann gemacht, wenn sie von oben angeordnet werden. Bevor die Kontrolleure kommen, wird alles vorbereitet, sobald sie weg sind, wird nichts mehr ordentlich gemacht. Wir sollten uns ein Beispiel an Japan nehmen. Dort gab es seit Jahrzehnten auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken keinen einzigen Unfall."

Gefahr für Exportambitionen

Hohe Eisenbahnbeamte wurden in den vergangenen Tagen gefeuert. Vor wenigen Monaten wurde Chinas Eisenbahnminister wegen Korruptionsverdachts verhaftet. Er soll Millionen unterschlagen haben. Medien haben auch über seinen äußerst luxuriösen Lebensstil berichtet und über seine zahlreichen Geliebten. Nicht weniger als 18 sollen es zuletzt gewesen sein. All diese Nachrichten kommen den Mächtigen in Peking ungelegen, die die grassierende Korruption längst als eine der größten Bedrohungen für den eigenen Machterhalt erkannt haben und die Chinas Hochgeschwindigkeitstechnologie ans Ausland verkaufen wollen. In der Türkei und in Saudi-Arabien bauen chinesische Ingenieure neue Schnellstrecken. Mit Großbritannien und den USA will man schon bald ins Geschäft kommen. Der jüngste Unfall könnte diese Ambitionen torpedieren. Dass genaue Aufklärung der Unfallursache den Imageschaden eher begrenzen als erhöhen würde, das scheint den Verantwortlichen aber zumindest bisher nicht wirklich klar zu sein.