Giorgio Vasaris Biografien der Renaissance-Künstler
Das Leben des Perugino und des Pinturicchio
Den Architekten und Hofmaler der Medici, Giorgio Vasari, kann man auch als einen der ersten Kunstkritiker und Künstlerbiografen bezeichnen, denn er hat 108 Lebensbeschreibungen von bildenden Künstlern aus Italien verfasst – vom Mittelalter bis zur Renaissance.
8. April 2017, 21:58
Der Berliner Wagenbach Verlag hat 2004 mit einer Neuedition begonnen, die 2014 abgeschlossen werden soll. Nun ist neu übersetzt und reich kommentiert "Das Leben des Perugino und des Pinturicchio" erschienen.
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Dieser ging nach Florenz, wo er mit Hilfe seines Talents zu einer gewissen Stellung aufsteigen wollte und dort in Ermangelung eines ordentlichen Bettes viele Monate lang armselig in einer Kiste schlief.
"Armer" Perugino
Vasari, der in seinen Künstlerbiografien über Leonardo, Michelangelo oder Raffael des Lobes voll ist, schlägt im Falle des Pietro Perugino einen ganz anderen Weg ein. Er diffamiert gleich zu Anfang den Künstler, in dem er ihm eine Jugend in Armut andichtet. In Wirklichkeit wuchs der aus Perugia stammende Maler durchaus in geordneten Verhältnissen auf. Doch mit dieser Armenvita gleich zu Anfang seiner Ausführungen kann Vasari viel später die angebliche Geldgier Peruginos psychologisch untermauert seinen Lesern näher bringen.
Der Biograf tut dies in Form einer Anekdote. Und wie man weiß, sind Anekdoten sehr schwer nachprüfbar. Perugino soll also die Angewohnheit gehabt haben, alles Geld, das er besaß, bei sich zu tragen.
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Bei einer dieser Gelegenheiten lauerten ihm welche auf einem Pass auf und raubten ihn aus, ließen ihn aber auf seine flehentlichen Bitten hin aus Gottesfurcht am Leben. Nach diesem Vorfall mobilisierte er Mittel und Freunde, von denen er immer noch reichlich besaß, wodurch er einen Großteil des Geldes, das ihm genommen worden war, zurückbekam. Trotzdem trieb ihn der Kummer darüber fast in den Tod.
Meister der Selbstvermarktung
Für Vasari ist Perugino ein Meister der Selbstvermarktung, dessen Streben und Leben auf den Erwerb materieller Güter zielt. So besitzt Perugino im mittleren Mannesalter Häuser in Florenz, in Perugia Ländereien - und er heiratet eine "wunderschöne junge Frau". Tja, und wer so materialistisch veranlagt ist wie der Maler, bei dem ist es auch um die Gottesfurcht nicht gut bestellt.
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Pietro war kein sehr gläubiger Mensch und konnte sich niemals von der Unsterblichkeit der Seele überzeugen.
Diese Behauptung ist umso infamer, da ja in der Renaissance ein Hauptteil der bildnerischen Arbeiten biblische Motive zum Thema hatte und die Kirche einer der wichtigsten Auftragsgeber der Künstler war. Vasari stellt also Perugino nicht nur als vermeintlichen Atheisten dar, sondern auch als anpassungsfähigen Speichellecker.
Die Übertreibungen Vasaris in seiner Künstlerbiografie zu Pietro Perugino haben aber dennoch einen wahren Kern. Der Maler verwendete Hintergrundfiguren, die er auf Karton abmalte und ausschnitt, wiederholt auf ganz unterschiedlichen Tafelbildern. Das ersparte Zeit und so konnte Perugino leichter mehrere Arbeiten an ganz verschiedenen Orten annehmen. Und das wiederum brachte mehr Geld ein. So zumindest sieht es der Biograf.
Doch Vasari will damit auch etwas Anderes sagen. Die Wiederkehr von gleichen Bildelementen in ganz unterschiedlichen Gemälden oder Fresken widersprach der gerade zu dieser Zeit aufkommenden Forderung nach Originalität, die stets in jedem Bild etwas Neues zum Vorschein bringen will. Für Vasari ist in dieser Hinsicht Raffael ein lobendes Vorbild.
Tja, und Raffael war eben der berühmteste Schüler von Perugino gewesen. Will heißen: Der variationsreiche Raffael hat den kontemplativ langweiligen Lehrer übertroffen. Und dieses Bild von Perugino hat sich lange gehalten. In einem Wiener Lehrgedicht aus den Jahren um 1900 heißt es:
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Der Raffael stammt aus Urbino
Noch fader war der Perugino.
Heute gilt Pietro Perugino mit seinem bildnerischen Werk als wichtigster Vertreter der Umbrischen Schule. Und natürlich lobt auch Vasari das Können des Malers – etwa das berühmte Fresko "Christus übergibt Petrus die Schlüssel" in der Sixtinischen Kapelle, oder das Tafelbild des Heiligen Sebastian.
Erfolg kein Maßstab
Pietro Perugino hatte neben Raffael noch viele andere Schüler, unter ihnen Bernardino Pinturicchio. Und diesen Maler nimmt sich Vasari in seiner kurzen Künstlerbiografie so richtig zur Brust. Der Biograf unterschlägt, dass der Maler über zwei Jahrzehnte zu den erfolgreichsten Künstlern Roms gehört hat. Erfolg scheint also nicht unbedingt ein Maßstab für Vasari gewesen zu sein. Ihm geht es um etwas Anderes, um den Faktor der Originalität - der ja schon bei der Beurteilung der Werke Pietro Peruginos eine Rolle gespielt hat. Auf den Bildern und Fresken Pinturicchios erkenne man sofort, dass der Maler den Stil seines Lehrers Perugino hemmungslos kopiert habe. In der Tat wurden lange Zeit einige Werke Pinturicchios Perugino zugeschrieben.
Was Vasari besonders am Verfahren des Malers stört, ist die überreiche Verwendung von Blattgold. Dies sei eine Anbiederung an den schlechten Zeitgeschmack gewisser Kreise, die das Pompöse schätzten. Dass zu diesen auch Päpste wie Alexander VI. gehörten, der Pinturicchio seine privaten Gemächer im Vatikan ausmalen ließ, stört Vasari nicht. Er greift lieber nochmals zu einer bekannten Strategie, um Pinturicchios Vorliebe für Blattgold und die damit verbundene Geldgier hervorzuheben.
Die Anekdote: Der Maler bekam einmal den Auftrag, in der Kirche San Francesco von Siena ein Tafelbild mit der Geburt der Madonna auszuführen. Das Zimmer, das man ihm für private Zwecke zur Verfügung stellte, musste komplett leer gemacht werden. Nur eine schwere Truhe ließ man stehen. Das ärgerte den Maler so sehr, dass er mit Wutausbrüchen erzwang, den unhandlichen Gegenstand zu entfernen. Dabei brach eine Diele der Truhe und in einem Versteck kamen 500 Dukaten in Gold zum Vorschein.
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Pinturicchio grämte sich über diese Angelegenheit mehr, als man sich vorzustellen vermag, weshalb er an nichts anderes mehr denken konnte und zutiefst getroffen schließlich daran starb.
Kleiner Kunstführer
Giorgio Vasaris Lebensbeschreibungen des Perugino und des Pinturicchio sind also voll von böswilligen Anekdoten, die uns heute durchaus amüsieren dürfen. Aber wird man deswegen zur Neuausgabe dieser Kurzbiografien greifen? Sicher nicht.
Doch durch die Ausstattung des Buchs erfährt man ja viel mehr. Genaue Einleitungen und Anmerkungsteile machen einen mit der Mal- und Lebensweise dieser beiden Renaissancekünstler vertraut. Dazu kommen die für ein Taschenbuch ausgezeichneten Reproduktionen von Bildern und Fresken. So lässt sich zudem die Ausgabe aus dem Wagenbach Verlag als kleiner Kunstführer im Urlaub verwenden.
Und - Hand aufs Herz - wer von uns hört nicht gern Anekdoten, die große Künstler in die Niederungen des Allzumenschlichen zurückholen? In diesem Sinn - aber auch bei der Beschreibung der Werke der beiden Renaissancekünstler - hat Giorgio Vasari viel zu bieten.
Service
Giorgio Vasari, "Das Leben des Perugino und des Pinturicchio", Wagenbach Verlag
Wagenbach - Giorgio Vasari