Das verbotene Buch des Autors Liao Yiwu

Erinnerungen aus Chinas Gefängnissen

Der Dichter Liao Yiwu hat in den chinesischen Gefängnissen unfassbare Brutalität erlebt. In seinem jetzt erstmals auf Deutsch erschienenem Buch "Für ein Lied und hundert Lieder" erzählt er - unter anderem - wie es dort zugegangen ist.

Mittagsjournal, 03.08.2011

Unter dem Titel "Für ein Lied und hundert Lieder" ist dieser Tage ein Buch erschienen, das nie erscheinen hätte dürfen, wäre es allein nach dem Willen der Machthaber in China gegangen. Auf Chinesisch geschrieben, erscheint es jetzt zum ersten Mal weltweit auf Deutsch. Sein Autor, Liao Yiwu, lebt jetzt auch in Deutschland. Er wurde jahrelang in China politisch verfolgt und ins Gefängnis gesteckt. Auch von den brutalen Misshandlungen, die er in der Haft erlebt hat, handelt das Buch "Für ein Lied und hundert Lieder", das jetzt im S. Fischer Verlag erschienen ist.

Die Stimme ist schon ein Ereignis für sich. Wenn Liao Yiwu vorträgt, dann erschließt sich die Dramatik dessen, was da vor sich geht, auch dem des Chinesischem Unkundigen. Dieser Mann weiß sehr genau, wovon er redet und singt, er hat hautnah miterlebt, was es heißt, ein Andersdenkender zu sein und das auch noch andren mitzuteilen.

Vier Jahre für ein Gedicht

Dabei stuft sich Liao Yiwu gar nicht als politisch motiviert ein. Nur ein Dichter will er sein, wie er sagt. Aber im Jahr 1989, kurz vor der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tienanmen-Platz in Peking, da hat er in düsterer Vorahnung ein Gedicht namens "Massaker" geschrieben und es an Freunde verteilt. Vier Jahre musste er dafür büßen, so lange wurde er ins Gefängnis gesteckt.

Flötenspiel als Lebensrettung

Das Flötenspielen hätte ihm ein alter Mönch im Gefängnis beigebracht, sagt Liao Yiwu. Das sei seine Lebensrettung gewesen. Jetzt spielt er die Flöte auch bei seinen Lesungen, er streicht über chinesische Klangschalen, wenn sein Übersetzer Hans Peter Hoffmann seine Worte auf Deutsch wiedergibt.

Die chinesischen Gefängnisse

Liao Yiwu hat im Gefängnis unfassbare Brutalitäten erlebt und überlebt, von Wärtern mit Elektroknüppeln, von Folter ist die Rede, aber auch von Brutalität der Gefangenen untereinander, von der gnadenlosen Hierarchie unter den Kriminellen, mit denen er als poltischer Gefangener zusammengesperrt wurde.

Er hat das Schreiben auch als Therapie gesehen, aber Lektor Peter Sillem vom S. Fischer Verlag betont, dass seine jetzt in Buchform vorliegenden Gefängnisnotizenviel mehr sind als ein Ansammlung von schrecklichen Erlebnissen.

Sillem meint dazu: "Er beschreibt zum Teil auch sehr drastisch, wie es in chinesischen Gefängnissen zugeht, wie die Menschen degradiert werden, zu Halbmenschen, zu Tieren, wie er sagt, zu Hunden. Es ist aber nicht nur eine Ansammlung von Furchtbarkeiten, es ist gleichzeitig literarisch Hochverdichtet, er ist wirklich ein Erzähler von Gnaden."

Ein Illegales Werk

Das Manuskript wurde dem Autor Liao Yiwu in China zweimal behördlich weggenommen, er hat das Buch ein drittes Mal geschrieben, und es wurde dafür gesorgt, dass der Text nach Deutschland kam. Denn in China, so Verlagslektor Peter Sillem, gab es keinerlei Chance auf eine Veröffentlichung.

"Die chinesischen Behörden wollten um jeden Preis verhindern, dass dieses Buch in irgendeiner Form erscheint", so Sillem. "Weder auf Chinesisch noch auf irgendeiner westlichen Sprache. Und zum Schluss hat Liao Yiwu sogar in diesem Jahr unterschreiben müssen, dass dieses Buch nicht irgendwo erscheinen wird. Es ist ein illegales Werk."

Nun erscheint das Buch doch. Möglich ist das nur geworden, weil der Autor jetzt auch in Deutschland lebt, ohne sonderliche Begeisterung, denn eine Rückkehr nach China strebt er im Prinzip weiter an. Aber vorerst bleibt ihm, wenn er Autor sein und publizieren will, nur das Exil im Westen, und das Flötenspiel, das schon im Gefängnis seine Rettung war.

Service

Liao Yiwu, "Für ein Lied und hundert Lieder", aus dem Chinesischen von Hans Peter Hoffmann, S. Fischer Verlag