Proteste bei Rossini-Festival

Moses als Bin Laden

Am Donnerstag, 11. August 2011, hatte beim Rossini-Festival im mittelitalienischen Pesaro die Oper "Mosè in Egitto" Premiere. Die Regie des Briten Graham Vick sorgte für so viel Aufregung, dass die Polizei gerufen werden musste.

Kulturjournal, 12.08.2011

Liebliche Musik und zauberhafter Gesang. Gioacchino Rossinis Oper "Mosé in Egitto" von 1818 behandelt die Geschichte des in ägyptischer Gefangenschaft lebenden jüdischen Volkes. Eine dramatische Handlung, in typischer Rossini-Manier in Musik gesetzt. Ein Opernklassiker, perfekt für einen netten Sommerabend im mittelitalienischen Pesaro, wo jedes Jahr das Rossini-Festival stattfindet.

Dieses Jahr sorgt aber der angesehene britische Regisseur Graham Vick für üble Aufregung, erlaubte er sich doch, den Protagonisten Moses, den Befreier der Juden, wie Bin Laden aussehen zu lassen. Die Juden durchqueren in Vicks Regie nicht etwa das Rote Meer, sondern schwer bewachte Sicherheitsabsperrungen, wie man sie vom Gaza-Streifen her kennt. Die in der ägyptischen Knechtschaft lebenden Juden werden von brutalen ägyptischen Soldaten gezwungen, auf allen Vieren und mit Kapuzen auf dem Kopf über den Boden zu krabbeln - eine Anspielung auf den gewaltsamen Umgang mit Gefangenen im US-amerikanischen Guantanamo. Bei den Plagen, die der jüdische Gott über das Pharaonenland schickt, entschied sich Tabubrecher Vick, die Kinder Ägyptens durch tödliches Gas, das vom Himmel kommt, sterben zu lassen.

"Diese Oper ist eines der Meisterwerke von Rossini, ein Drama, mit dem Rossini Themen vorwegnahm, die erst in unserer Zeit konkret wurden: die brutalen Fundamentalismen auf allen Seiten", meint Graham Vick. "Man darf nie jenen vertrauen, die sich als Volk Gottes bezeichnen und in Gottes Namen handeln. Diese Oper bewegt mich sehr."

Provokative Interpretation

Orthodoxe Juden, fundamentalistische Moslems, die Hamas im Gaza-Streifen, die Taliban und Al Kaida: Graham Vick nutzt die Oper von Rossini, um verschiedenste Formen von Fundamentalismen anzuklagen. Die Regie funktioniert. Sie "passt" zu der Oper von Rossini. Eine höchst provokative, aber keine gezwungen übertriebene Interpretation.

Doch das sehen nicht alle so. Ein Repräsentant der Palästinenserregierung in Rom warf dem Regisseur vor, sein Volk komplett als Terroristen zu verunglimpfen. Auch Repräsentanten der italienischen Juden kritisieren Vicks Regie. Die Schriftstellerin Liliana Segre, eine der letzten Überlebenden von Ausschwitz, kritisierte Vick im "Corriere della Sera" und warf ihm Schamlosigkeit gegenüber den Juden und ihrem Glauben vor.