Woody Allens "Midnight in Paris"
Nostalgie mit Sticheleien
Nach London und Barcelona ist Paris die dritte europäische Stadt, in der Woody allen einen Film gedreht hat, und zwar mit dem schon bezeichnenden Titel "Midnight in Paris". Diesmal lernt ein von Owen Wilson gespielter US-Schriftsteller in der Hauptstadt Frankreichs seine wahre Bestimmung kennen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 13.08.2011
Jede Nacht, Punkt Mitternacht schlägt dem amerikanischen Drehbuchautor Gil (Owen Wilson) in den Straßen von Paris die Stunde: da kommt ein Wagen vorbei und holt ihn ab für eine besondere Reise. Denn plötzlich befindet sich Gil im Paris der 1920er Jahre, trifft seine großen Idole, Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway, Gertrude Stein, Salvador Dali, Pablo Picasso und Man Ray. Am nächsten Tag ist der Spuk wieder vorbei.
"Keine Betäubungsmittel"
Der Kunstgriff der Zeitreise lässt Woody Allen in "Midnight in Paris" eintauchen in das oft trügerische Verhältnis von Traum und Wirklichkeit, von erdachter Fiktion und erlebter Gegenwart, von Sehnsüchten nach einer besseren Vergangenheit und nostalgischer Verklärung.
Diese Träume, in einer anderen Zeit leben zu wollen, wären trügerisch, meint Woody Allen, weil man nur an die angenehmen Dinge denke: "Und man stelle sich mal vor, in den 1920er Jahren oder in der Belle Epoque habe es keine Betäubungsmittel beim Zahnarzt gegeben, geschweige denn Klimaanlagen."
Neureiche Oberflächlichkeit
Natürlich ist der Film auch eine Hommage an die Stadt Paris, deren architektonischen Ikonen genauso aufblitzen wie die touristischen Fassaden von lauschigen Ecken, verträumten Gassen, und altmodischen Cafés. Ganz ohne Gegenwart geht es dann doch nicht, denn Pseudo-Intellektualität, Bildungseitelkeit, neureiche Oberflächlichkeit und fragwürdige politische Zuordnungen haben Allen zu manchem Spott inspiriert.
Es sind kleine Sticheleien und nicht große Bosheiten, mit denen Woody Allen seine Altersgelassenheit auf der Leinwand auslebt, weniger mit forciertem Wortwitz als vielmehr feinsinnigen Dialogen. Der Gegenbeweis zur im Film vorgebrachten Behauptung, dass ein Drehbuch nicht auch beachtenswerte Literatur sein kann.