Roman des UNO-Mitarbeiters Thomas Pollan

Die Strafe Gottes

Der aus Kärnten stammende Autor Thomas Pollan studierte Politikwissenschaften und Jus in Wien, Hamburg, New York und Harvard und arbeitet seit dem Jahr 2000 für die Vereinten Nationen, derzeit im Genfer Hauptquartier. Jetzt hat Thomas Pollan ein Buch geschrieben, das die Vereinten Nationen literarisch beleuchtet.

Das Prinzip Hoffnung spielte eine große Rolle bei der Gründung der Vereinten Nationen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute kooperieren 192 Staaten innerhalb der UNO. Alle Staaten der Erde, außer dem Vatikan, stellen sich damit in den Dienst des Weltfriedens, des Völkerrechts und der Menschenrechte.

Wie es im Inneren der UNO-Hauptquartiere aussieht und wie die mächtigen UNO-Mitarbeiter leben und arbeiten, das weiß Thomas Pollan genau. Pollan erzählt seine UNO-Story aus der Perspektive des Protagonisten Jack Wilda. Die Leser begegnen Dr. Wilda erstmals, wenn dieser im Vollrausch vergebens versucht, auf allen Vieren das Badezimmer seines stilvollen Penthouses zu erreichen.

Inferno à la Dante

Wilda ist ein UNO-Veteran. Seine schwangere Frau sah er im Zuge einer Mission sterben, und im Laufe von Thomas Pollans Thriller wird sein brüchiger Held noch weitere höllische Szenarien durchleben. "Die Strafe Gottes" entwirft den Weltuntergang, ein Inferno à la Dante Alighieri, an dessen Höhepunkt Untote durch die UNO-Hauptstadt Genf taumeln.

"Was absolut wahr ist, und was ich hundert Mal gesehen habe - weil ich sie in Feldmissionen gesehen habe, weil ich sie im mittleren Osten gesehen habe, in Afrika, es gibt ungeheuer viele Leute, die ihr Leben wirklich immer wieder aufs Spiel setzen, wie ein Freund, der in Bagdad umgekommen ist, jemand, von dem ich eine E-Mail bekommen habe, zwei Stunden bevor er in Osttimor in Stücke gehackt worden ist", sagt Pollan. "Diese Leute, die die UNO wirklich gut für die Welt machen, die hinausgehen in Krisengebiete, die trifft man immer wieder. Und das ist etwas, was sich im Buch widerspiegelt."

Hinter gepolsterten Türen

Wenn auch Jack Wilda wesentlich mehr Haare und wesentlich mehr Geld als sein Autor hat, wie dieser lakonisch feststellt, so beschreibt "Die Strafe Gottes" doch durchaus Charaktere, auf die Thomas Pollan in seinem beruflichen Umfeld immer wieder trifft. Pollan arbeitete in Österreich als Anwalt und stieg mit dem "Junior Professional Programme" in die UNO ein. Ein Schumpeter-Stipendium brachte ihn nach Harvard, es folgte die Dienstprüfung für die Vereinten Nationen. Seitdem blickt Thomas Pollan hinter die gepolsterten Türen, in jene hermetisch abgeschlossene Sphäre, die die Staaten ungern öffentlich präsentieren.

Diese Sphäre ist ein wahrlich geeignetes Set für einen Thriller, der in seiner Erzählweise vielleicht am ehesten an Stephen King denken lässt. Auch hier werden die Leser mit einem Ort und mit Menschen vertraut gemacht, und sehr rasch bricht in einer ganz normalen Alltagssituation plötzlich die Hölle aus.

"Das Leben am Ende ist ungeheuer fragil, es gibt genug Fachmänner, die sagen, eine der größten Gefahren für die Menschheit sind Viren und Bakterien", so Pollan. "Stephen Hawking: Wenn die Menschheit an etwas zugrunde gehen wird, dann an Viren und Bakterien, die wesentlich langlebiger sind."

Biologische Waffen

Diplomatischer Hintergrund der Handlung ist die UN-Biowaffenkonvention, die der Tatsache Rechnung trägt, dass Ebola, Pest, Anthrax und andere Seuchen als biologische Kampfmittel heute unter prekären Sicherheitsumständen in Laboratorien lagern. Thomas Pollan erzählt von einem Pest-Bakterium, das das Gehirn manipuliert und Menschen zu charakterentstellten Zombies macht - und dafür existieren tatsächlich wissenschaftliche Versuche.

"Wenn man einmal lernt, was die Supermächte im Kalten Krieg produziert haben - Waffen die unvorstellbar sind, und die es immer noch gibt!", sagt Pollan. "Vieles davon, was in dem Buch steht ist, ist absolut real, unterirdische Bunker, Versuchsanordnungen, dass man die Pestflüge macht und in eine sprühfähige Form bringt, all das gibt es, und es gibt noch Schlimmeres. Insofern war da die Realität durchaus Pate des Buches."

Überzeugende Szenarien

Die grauenvolle Handlung ist mit bitterem Humor garniert, etwa wenn von einem "Massenvernichtungs-Nobelpreis" die Rede ist. Dezent sind auch Hommagen an andere Autoren eingestreut, so ist eine Notiz an Jack Wilda in einer "blassgrauen Frauenhandschrift" verfasst.

Thomas Pollan kennt sein Genre und er kennt seine Schauplätze. Er schafft es mit Leichtigkeit, das UNO-Hauptquartier in Genf vor dem neugierigen inneren Auge der Leser heraufzubeschwören. Pollan erzählt schnörkellos, drastisch und überzeugend.

"Es sind Szenarien, die durchaus eintreten können", meint Pollan. "Schon allein die Tatsache, dass Terroristen immer wieder versuchen, auch Biowaffen in die Hand zu bekommen, ist etwas, womit die Welt immer wieder konfrontiert ist, wovon man natürlich, aus offensichtlichen Gründen, nicht allzu viel hört."

Viel Selbstironie

Durchaus glaubwürdig und sehr fesselnd wird dargelegt, wie die UNO als Institution die Welt zu retten vermag, es gelingt durch ein weltumspannendes Netzwerk und durch persönliche Zusammenarbeit. Der Held Jack Wilda operiert dabei nicht als James-Bond-Abziehbild, sondern verfügt über weitaus mehr Abstraktionsvermögen als der adrette Brite.

Wilda weiß vieles, etwa, dass der gute Wunsch "Gesundheit", wenn jemand niest, aus Pest-Zeiten stammt, da das Niesen das erste Anzeichen der Lungenpest war. Wilda bezeichnet sich selbst deshalb als "Bildungsbürgertum dritte Generation, bei dem von vielen Dingen wenig Ahnung zu haben schwer en vogue ist". Diese Selbstironie teilt der Autor mit seiner literarischen Figur - und das ist vielleicht die größte Stärke von "Die Strafe Gottes": Thomas Pollan ist einerseits mitten in der Handlung, doch er schafft es gleichzeitig auch auf die Metaebene und bietet seinen Lesern unaufdringlich eine politische Vision.

"Man sieht in dem Buch, dass Europa ja schon viel weiter entwickelt ist, als es in Wirklichkeit der Fall ist", so Pollan. "In Wirklichkeit haben wir bei weitem noch keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, etwas, was aber in diesem Buch schon Fakt ist, es gibt schon einen europäischen Präsidenten, es gibt schon Europäische Militäreinheiten, etwas, das wir dringend brauchen, was es aber noch nicht gibt. Die Kombination aus europäischer Zusammenarbeit, privaten Freundschaften und Möglichkeiten, die es auf anderen Kontinenten gibt, rettet dann Europa. Ich musste das auch einmal machen, ein Buch schreiben, in dem die Welt etwas anders gesehen wird, als mit den Augen eines Bürgers in der Festung Europa. Wir fürchten uns sehr oft vor Globalisierung, vor Menschen, die eine andere Hautfarbe haben, aber de facto merkt man, dass es ungeheuer viele globale Probleme gibt, die nur gemeinsam zu lösen sind."

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Thomas Pollan, "Die Strafe Gottes", Salis Verlag

Salis Verlag - Die Strafe Gottes