Tiefe Spaltung der US-Politik

Republikaner: Extreme setzen sich durch

Dass sich gerade die extremsten Kandidaten bei den Republikanern durchzusetzen scheinen, zeigt die tiefe Spaltung der US-Politik. Die Amerikaner werden sich bei den Präsidentschaftswahlen kommendes Jahr nicht nur zwischen zwei Kandidaten, sondern auch zwischen zwei völlig entgegengesetzten Gesellschaftsmodellen entscheiden müssen.

Mittagsjournal, 20.08.2011

Markige Sprüche

In den USA ist er der neue Polit-Star der Rechten: Rick Perry, der ultrakonservative Gouverneur von Texas. Er hat sich im republikanischen Vorwahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur mit markigen Sprüchen innerhalb von nur einer Woche ins Spitzenfeld der Obama-Herausforderer katapultiert. So wie seine Mitfavoritin Michelle Bachmann ist auch Perry ein "wiedergeborener Christ".

Ob betend im Stadion oder hemdsärmelig auf ein paar Strohballen stehend - Rick Perry hat immer ein paar Sprüche auf Lager. Den Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, etwa warnt er davor, die Geldpresse anzuwerfen, das wäre Hochverrat, in Texas wüsste man, was mit so jemandem passieren müsste. Am liebsten redet Rick Perry aber über Arbeitsplätze - genauer gesagt über das texanische Jobwunder.

Umstrittenes Jobwunder

Vor elf Jahren ist Rick Perry in Texas George Bush als Gouverneur nachgefolgt. Seit damals sind dort tatsächlich eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen worden, während im Rest des Landes eineinhalb Millionen verloren gegangen sind. Perry erklärt das mit dem republikanischen Allheilmittel: weniger Staat, mehr Freiheit für den Markt, weniger Gesetze und Bestimmungen, niedrigere Steuern für Unternehmen. Doch Scott McCown vom Zentrum für öffentliche Politik empfiehlt einen genaueren Blick auf das texanische Jobwunder: "Man würde nicht glauben, dass dieser Modellstaat die Nummer eins bei Niedrig-Löhnen ist, die Nummer eins bei Unversicherten und dass die Arbeitslosenzahlen nur im Mittelfeld liegen, das klingt nicht nach Vorbild."

Verschwörungstheorie über Klimawandel

Aber auch Schattenseiten wie die höchste Kinderarmut oder die im Bundesvergleich mit Abstand schlechteste Schulausbildung lässt Perry nicht gelten. Jeder sei für sich verantwortlich, so Perry. Seine Welt ist von Gott erschaffen, an die Evolution glaubt er nicht. Die Klimaerwärmung hält Perry überhaupt für eine Verschwörung gieriger Wissenschaftler. Mit Aussagen wie dieser wäre Perry noch vor wenigen Jahren auch bei den Republikanern nicht mehr als ein skurriler Außenseiterkandidat gewesen, heute jubelt die Rechte, vor allem die Anhänger der ultrarechten Tea Party.

Die Welt der Tea Party

Die Tea Party jubelt auch über Michelle Bachmann, die gerade in Iowa eine Art Testvorwahl gewonnen hat. So wie Perry kritisiert auch die Abgeordnete aus Minnesota und Tea Party-Sprecherin im Kongress besonders gerne Bundesbehörden- als aufgebläht, ineffizient, am besten abzuschaffen. Ein besonderes Feindbild ist die Umweltschutzbehörde EPA. Die wiedergeborene Christin ist strikt gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe, hat fünf Kinder und 23 Pflegekinder und ist absolut bibeltreu. Sie sei in die Politik gegangen weil sie ihrem Mann gehorcht habe, hat sie in einem früheren Interview erklärt. Als sie im Wahlkampf auf ihre Wortwahl "weibliche Unterwürfigkeit" angesprochen wird, erklärt sie das als gegenseitigen Respekt.

"Radikale Antifeministin"

Frank Schaeffer ist ein ehemaliger Prediger jener evangelistischen Gruppierung, der Bachmann nahesteht. Er analysiert ihre Aussage so: "Im Grunde sagt sie, ich weiß, dass ihr wisst, dass wenn ich weibliche Unterwürfigkeit sage, 'meine' Welt meine: Aber wir versuchen eine bundesweite Wahl zu gewinnen, deswegen schwäche ich das ab, für das übergeordnete Ziel in den politischen Mainstream Amerikas zu kommen, als radikale Antifeministin vom äußerst rechten Rand der evangelistischen Bewegung."

Gemäßigter ist nur Außenseiter

Die neue Rechte will Amerika zurückerobern, mit möglichst wenig Staat, möglichst viel Markt möglichst niedrigen Steuern und möglichst viel Glauben. Der einzige wirklich gemäßigte republikanische Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur ist John Huntsman, ehemaliger US-Botschafter in China. Bis jetzt ist er zwar Liebling der politischen Kommentatoren, aber im republikanischen Vorwahlrennen absoluter Außenseiter. Er schreibt im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter: "Sie können mich verrückt nennen, aber ich glaube an die Evolution und an die Klimaerwärmung." Und er bringt es damit auf den Punkt.