Muss viele Bruchlinien überwinden

Wie stark ist der Übergangsrat?

Sobald die Ära nach Gaddafi tatsächlich beginnt, muss der Nationale Übergangsrat dafür sorgen, dass Libyen nach monatelangem wirtschaftlichen Stillstand schnellstens wieder zu funktionieren beginnt. Ist der Nationale Übergangsrat stark und repräsentativ genug, um Libyen in einen demokratischen Rechtsstaat zu transformieren?

Morgenjournal, 23.08.2011

Ex-Justizminister als Schlüsselfigur

In den vergangenen Tagen trat Mustafa Abdel Jalil, der Chef des Nationalen Übergangsrates, immer wieder vor die Presse, um die Erfolge der Rebellen zu verkünden. Der Mann mit dünnem grauen Bart, Gaddafis ehemaliger Justizminister, ist hat im Februar, zu Beginn des Aufstandes, die Seiten gewechselt. Gestern hat Jalil in einer Pressekonferenz seine Landsleute zu Disziplin aufgerufen und vor Selbstjustiz gewarnt. Seine Vision für Libyen fasst er in wenige Worte: "Wir wollen Frieden, Gerechtigkeit und einen Rechtsstaat."

Abgang nach Wahl?

Der Aktivist Ali Al-Gebbeshi lebt in Deutschland. Er hat die Kontakte zwischen dem Übergangsrat und dem deutschen Außenministerium hergestellt. Al-Gebbeshi traut Übergangsratschef Jalil einiges zu. Dessen Bescheidenheit und dessen Kampf gegen Korruption hätten ihm den Respekt aller Libyer gebracht, aber: "Erinnern sich die Libyer nicht auch Jalils Vergangenheit als Mann des Regimes?" Jalil, so Al-Gebbeshi, habe erklärt, er werde abtreten, sobald demokratisch gewählt werde, genauso wie alle anderen Ratsmitglieder. Der vom Rat vorgelegte Zeitplan sieht Parlamentswahlen in acht Monaten vor.

Weitere Ex-Minister

Zweite bekannte Figur des Übergangsrates ist Mahmoud Jibril, unter Gadsafi so etwas wie ein Entwicklungsminister. Er ist werbend für den Rat zu den westlichen Regierungen gereist, Jibrils Kapital sind seine Kontakte ins Ausland. Der dritte prominenter Mann im Rat Abdel Junis, war Verteidigungsminister, ehe er die Seiten gewechselt hat. Er ist Ende Juli ermordet worden, von einer islamistischen Splittergruppe, wie manche vermuten.

Machtkämpfe programmiert?

Dass es innerhalb des Rates starke Rivalitäten geben soll, bestreitet Ali Al-Gebbeshi, auch dass die Rebellengruppen im Westen im Rat nicht ausreichend vertreten seien. Er selbst sei aus dem Westen, genauso wie die Nummer zwei im Rates, Mahmoud Jibril. Aus jeder Stadt, so erklärt Al-Gebbeshi, seien der Größe entsprechend Vertreter im Rat, viele würden eben erst jetzt bekannt. Die Gefahr, dass Machtkämpfe ausbrechen, sieht Al-Gebbeshi nicht. Die Schattenregierung des Rates, 13 Personen, darunter eine Frau als Justizministerin, hat Premier Jibril nach der Ermordung von Kommandant Jounis aufgelöst, wegen Fehlern, wie es hieß. Eine neue Übergangsregierung will der Rat in einem Monat ernennen.

"Keine Chance für extreme Ideen"

Ein ebenfalls tiefer Graben verläuft zwischen Islamisten und Nationalisten. Der Focus auf die Islamisten in den westlichen Medien, so wehrt Al-Gebbeshi ab, sei übertrieben. Darum würden extreme Ideen auch keine Anhänger finden. Und genauso würden sie Differenzen entlang der Stämme überbewertet. Und was ist mit den besiegten Anhängern Gaddafis? Ratspräsident Abdel Jalil, so hebt Al-Gebbeshi hervor, habe deutlich zur Versöhnung aufgerufen. Über Schuld und Verbrechen würden Gerichte entscheiden, und jeder andere aus dem Lager Gaddafis sei willkommen, an Aufbau und Führung des neuen Libyen teilzunehmen.