Die "Café Sonntag"-Glosse von Severin Groebner
Geld und Spiele
Ich kann es nur jedem raten: Mit Geld spielt man nicht. Das ist jetzt keine wiedergekäute, inhaltsleere Floskel wie "Messer, Gabel, Schere, Licht ist für kleine Kinder nichts" oder "Nach dem Essen sollst Du ruhen", sondern das Ergebnis echter, jahrelanger Selbsterfahrung.
8. April 2017, 21:58
Bereits mit zehn Jahren, als ich damals mit einem Schulfreund "Monopoly" gespielt habe, musste ich das schmerzlich erkennen. Monopoly, das Spiel, das in den USA während der Wirtschaftskrise erfunden wurde (also während der vorletzten, in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts), war mir ein harter Lehrmeister. Ich hatte drei Hotels. Eines in Wien, eines in Graz und eines in Linz, und in jeder dieser Städte mehrere Häuser, während mein Gegenspieler lediglich Innsbruck besaß, doch dafür dort drei Hotels. Und was passiert? Wer verliert? Ich.
Seither hab ich ein Problem mit Geld, Spiel, Spielgeld und Innsbruck. Obwohl Innsbruck eigentlich nichts dafür kann.
Ich hab mich damals in jugendlichem Überschwang sehr geärgert. Geflucht, gegen Stühle getreten, "Das gibt's doch nicht!" geschrieen und - ich schäme mich nicht es zuzugeben - die Würfel im elterlichen Kachelofen verbrannt.
Das war damals vielleicht lustig zum Anschauen, wahrscheinlich sehr sogar, vielleicht sogar eine frühe, wenngleich unfreiwillige Form von darstellender Kunst, nur: Geholfen hat es nichts.
Merke: Auch das größte Theater bringt nichts, wenn Du im Spiel Geld verlierst.
Später, weitaus erwachsener (also eh nicht wirklich erwachsen, aber gefühlt erwachsen, in Wahrheit erst 19) hab ich einmal Poker gespielt.
Diesmal mit richtigem Geld.
Der Gastgeber reichte dazu Bier und Wein und Sherry und ich habe von allem genossen und natürlich - verloren. Der Gastgeber hatte nun mein Geld, ich dafür seinen Sherry intus. Was mir mein Magen noch Stunden später nicht verzeihen sollte.
Merke: Egal, wie schlecht Dir ist, wie sehr Du auch bereust, das bringt Dir dein Geld auch nicht zurück.
Und dann - nochmal Jahre später - hatte ich tatsächlich einmal Geld. Viel Geld. Also nicht wirklich viel. Es war ein Betrag, für den der Herr Grasser nicht einmal seinen gutfrisierten Haarschopf nach hinten werfen würde, aber für mich war es viel Geld.
Und es war genug, dass sich plötzlich ein Anlageberater meiner Bank meiner annahm. Er war freundlich, gepflegt und adrett - und zwar in einer Art, die mir zu freundlich, zu gepflegt und zu adrett war - und er empfahl mir wunderbare Dinge: Aktienpakete. Immobilienfonds! Griechische Staatsanleihen!! Zauberhafte Renditen ließ er vor meinem geistigen Auge vorbeischweben, mit Engels-gleichen Zungen warb er für diese vollkommen sicheren und hoch rentablen Anlageformen und ich – zögerte.
Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass sein gesamtes Äußeres in mir schlicht und ergreifend körperliches Unbehagen auslöste und deshalb bohrte ich nach: Wie sicher wäre das denn alles?
Nun, ja, meinte er sich windend, komplette Sicherheit gäbe es natürlich nie, aber was solle denn schon schiefgehen... Ich war nicht überzeugt. Er spürte das und sagte schließlich: "Schauen Sie, dass ist so, wie wenn Sie im Monopoly Graz, Wien und Linz haben. Was soll denn da schon passieren?" In kalter Verachtung, die der Gepeinigte für seinen Folterknecht stets empfindet, zischte ich ihn an: "Innsbruck! Innsbruck!"
Das war 2006. 2008 und 2009 haben dann alle jene Erfahrung gemacht, die ich bereits als Zehnjähriger verdauen musste: Mit Geld spielt man nicht!