Markus Schleinzers Debütfilm "Michael"

Thema Missbrauch

Der Fall Natascha Kampusch, der Fall Fritzl, der Fall Dutroux in Belgien. All diese Fälle von Kindesmissbrauch haben in den letzten Jahren für Schlagzeilen gesorgt und zweifellos auch den Film "Michael" des österreichischen Regisseurs Markus Schleinzer mitinspiriert.

Doch Schleinzer, der mit seinem Debütfilm heuer auch im Wettbewerb von Cannes vertreten war, ist weniger an Sensationen interessiert sondern vielmehr am Psychogramm der Beziehung zwischen Täter und Opfer. Ab Ende nächster Woche kommt "Michael" in die heimischen Kinos.

Mittagsjournal, 27.08.2011

Pullover mit V-Ausschnitt, hin und wieder Krawatte dazu, ein älterer Mittelklassewagen, ein schmuckloses Haus in einer kleinen Gemeinde. Nach außen hin ist der 35-jährige Michael, ein Versicherungsangestellter, eine farblose Erscheinung mit ebensolchem Durchschnittsleben.

Für Regisseur Markus Schleinzer ist er "jemand, der eigentlich ziemlich nahe an so etwas wie Norm und Normalität ist. (...) Das ist jemand, der eine Gesellschaft nicht gefährdet."

Keine Täter-Dämonisierung

Gerade diese Normalität ist jedoch trügerisch, denn im Keller seines Hauses hält Michael den zehnjährigen Wolfgang gefangen, den er regelmäßig sexuell missbraucht, aber ebenso pflegt er ein fast liebevolles, vaterähnliches Verhältnis zu ihm. Man isst gemeinsam, man wäscht gemeinsam ab, putzt den Christbaum auf und singt Weihnachtslieder. Manchmal gibt es auch ein gemeinsames Unterhaltungsprogramm.

Die Schultasche im Keller und gemeinsame Ausflüge - dass sein Film vom Fall Kampusch beeinflusst ist, streitet Markus Schleinzer nicht ab, gleichzeitig versucht er sich jedoch nicht auf einen konkreten Fall festlegen zu lassen, jegliche Dämonisierung des Täters wird vermieden. Hier herrscht zwar die Strenge eines Erwachsenen, vom Klischee des menschlichen Monsters ist Michael aber weit entfernt.

Der Schrecken im Kopf

Markus Schleinzer arbeitet mit Andeutungen, Auslassungen und vor allem Reduktion. Der Schrecken entsteht via Indizien im Kopf des Zusehers, anstelle expliziter Missbrauchsszenen sieht man einen Täter, der sich den Penis wäscht, der ein Kreuzerl in seinen Kalender macht und Vaseline im Badezimmerschrank aufbewahrt. Markus Schleinzer war es wichtig, diesen Figuren ihre Würde zu lassen, dem Opfer und letztendlich auch dem Täter.

Sparsamer Musikeinsatz, eine ruhige, beobachtende Kamera, die Vermeidung jeglicher Künstlichkeit, also von Überhöhungen und Überzeichnungen, all das macht keinerlei Lust auf Spekulation, Damit ist der Film "Michael" auch ein nachhaltiges Kontrastprogramm zu den Darstellungsformen des journalistischen Boulevards.

Textfassung: Ruth Halle

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Geyrhalter Film - Michael

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