Mechanismen der Verdummung

Blödmaschinen

Er empfinde gegen die Dummheit seiner Epoche Hassfluten, die ihn ersticken, beschwerte sich der französische Schriftsteller Gustave Flaubert zu Ende des 19. Jahrhunderts. Flaubert war nicht nur einer der größten Schriftsteller seiner Zeit, er war auch ein vehementer Kämpfer gegen die Dummheit, die er überall wahrnahm.

Sich über die Dummheit der Mitmenschen zu beschweren, ist also nichts Neues. Seitdem Denker denken, meinen sie, alles werde immer schlimmer und die Leute immer blöder. Dabei ist die Dummheit ein integraler Bestandteil jeder Gesellschaft. Ja mehr noch, sie ist aus dem tagtäglichen Leben nicht wegzudenken.

Stolz auf Dummheit

Metz und Seeßlen geht es in ihrem Buch nicht um diese traditionelle Dummheit, nicht um die Fehler, die jeder irgendwann einmal macht. Was sie untersuchen, sind die kollektiven Mechanismen der Verdummung. Früher war es zumindest so, meinen die Autoren, dass man sich seiner Dummheit geschämt hatte. Heute hingegen ist man stolz auf sie. Das sei ein Resultat der titelgebenden "Blödmaschinen". Für die Blödheit sei nicht ein Mangel an Wissen ausschlaggebend, so die Autoren, denn niemand komme blöd auf die Welt, jeder müsse erst blöd gemacht werden. Und hier nun treten die "Blödmaschinen" auf den Plan.

Dumm wird man gemacht

Das Konzept der Maschine, auf das sich Metz und Seeßlen berufen, ist jenes, das Gilles Deleuze und Felix Guattari mit ihrem 1972 erschienen Buch "Der Anti-Ödipus" in die Diskussion einbrachten. Maschinen werden da nicht als mechanistische Objekte gesehen, sondern als verschiedene gesellschaftliche Praktiken, die zusammen ein bestimmtes Ergebnis hervorrufen.

Demgemäß lassen sich die Blödmaschinen nicht genau verorten. Was sie sind, wo sie sind, wer sie bedient - das alles lässt sich nicht genau sagen. Was man aber sagen kann: Dieses Konzept der Maschine bricht eine alte linke Ideologie auf, denn die traditionelle Linke ging ja immer davon aus, dass der Einzelne im Grunde gut sei, dass er gerne klug wäre, dass er, wenn er nur könnte und es besser wüsste, sich ausschließlich mit klugen Dingen umgeben und nur Kluges konsumieren würde, und es nur deshalb nicht tue, weil ihm die Konzerne, die Medien, die Politik mit aller Macht davon abhielten, gescheiter zu werden.

Metz und Seeßlen sind trotzdem tief im linken Denken verankert. So steht für sie fest, dass "der Kapitalismus" dumm mache. Was sie aber zugestehen, ist, dass die Masse nicht gegen ihren Willen dumm gemacht werde, sondern dass die Blödmaschinen deshalb so reibungslos funktionieren, weil alle Beteiligten daran Interesse haben und davon profitieren.

Kluge Analysen und banale Abhandlungen

"Blödmaschinen" ist keine leichte Lektüre. Über mehr als 750 Seiten hinweg beschäftigen sich die Autoren mit den verschiedensten Aspekten der Dummheit. Die dummen Dinge des Konsums werden ebenso abgehandelt wie Al Bundy oder die Simpsons. Alles hängt hier irgendwie mit allem zusammen; alles macht irgendwie blöd: das Kabarett, IKEA, Mercedes, Lidl, das freiwillige Totarbeiten von Angestellten, die Vermischung von Meinung und Kommentar in den Medien, die "Bild"-Zeitung, die Karnevalisierung der Politik.

Und so ist "Blödmaschinen" dann ein verwirrendes Buch. Kluge Analysen finden sich darin ebenso wie ziemlich banale Abhandlungen über alltägliche Dinge. Und am Schluss ist sowieso immer der Neoliberalismus schuld.

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Markus Metz und Georg Seeßlen, "Blödmaschinen", Edition Suhrkamp

Suhrkamp - Blödmaschinen