Vor- und Nachteile von YouTube

Die Verfügbarkeit der Bilder

In den zehn Jahren seit 9/11 hat sich durch die Weiterentwicklung des Internet vor allem eine ganz andere Verfügbarkeit der Bilder gegeben. Nicht nur auf Fotos, auch auf Videos kann jetzt jederzeit zugegriffen werden.

Der Konsument wartet nicht mehr auf Bilder, wie es in der Ära Fernsehen üblich war, er holt sie sich. Von jedem Ereignis ist der Internetbenutzer nur noch einen Mausklick entfernt. Was hat sich dadurch aber an unserem Sehverhalten verändert und sind die Bild- und Videodatenbanken von Google bis YouTube doch nicht so demokratisch wie sie scheinen?

Kulturjournal, 07.09.2011

Auch wenn die Bilder der ins World Trade Center einschlagenden Flugzeuge vor zehn Jahren rauf und runter gespielt wurden, wollte man sie sehen, musste man vor dem TV-Gerät auf sie warten. Heutzutage würden sie sofort ins Netz eingespeist und wären in Sekundenschnelle verfügbar. Dort im Internet würden sie aber, so der Philosoph Herbert Hrachovec ganz anders rezipiert:

"Ein entscheidender Wechsel von der Fernsehtechnologie zur Internettechnologie besteht darin, dass in dem Moment, in dem ich im Fernsehen Bilder sehe, ich eine Qualitätsgarantie automatisch mithabe. Diese Garantie habe ich im Internet nicht und von daher sind das Zutrauen und die öffentliche Wirksamkeit von vornherein abgeschwächt."

Umkehr der Urheber

Der Philosoph Peter Sloterdijk spricht davon, dass wir von einem Zeitalter des starken Absenders in eines des schwachen Absenders gewechselt sind, da die Urheber der Internet-Bilder entweder überhaupt anonym sind oder keinen anerkannten Institutionen mehr entstammen. Dafür ist die Welt aber mit potenziellen Fotografen und Kameraleuten überschwemmt, da es kaum noch Mobiltelefone ohne Foto- und Videofunktion gibt. Und das, sagt der Künstler und Medientheoretiker Peter Weibel, hat zu einer interessanten Umkehr in der Entwicklung geführt:

"Heute ist es gang und gäbe, egal ob das ein Tsunami in Asien oder der arabische Frühling ist, dass die Massenmedien zurückgreifen auf die YouTube-Generation, das heißt auf die Bilder, die die Amateure machen mit ihren mobilen Telefonen, und diese dann einschleusen in die Monopolmedien."

Bedient sich das Fernsehen aber dieser Bilder, werden die dadurch sanktioniert und autorisiert. Die Authentizität steht damit plötzlich außer Frage, auch wenn sie häufig gar nicht geklärt werden kann.

Videodatenbank in YouTube

Mit gefälschten oder auch nur stark subjektiv gefärbten Bildern lässt sich aber nachhaltig Stimmung und somit auch Politik machen. Der Künstler Konrad Becker, Leiter des Instituts für neue Kulturtechnologien, kennt ein frühes Beispiel aus den 1980er Jahren: "Die Mujahedin in Afghanistan haben den Krieg gegen die Sowjetunion eigentlich auf der Medienfront gewonnen, weil sie nämlich damals von ihren amerikanischen Verbündeten mit Digicams ausgerüstet wurden. Alle Nachrichten, die man über den Afghanistankrieg gesehen hat, stammten von den Mujahedin."

Wer heute solche oder ähnliche historische Aufnahmen sucht, wird sich dafür wahrscheinlich der digitalen Laufbilddatenbank YouTube bedienen. Im Februar 2005 wurde YouTube von drei jungen Männern gegründet und nur eineinhalb Jahre später um 1,3 Milliarden Euro an Google verkauft. Bekannt wurde YouTube als Plattform für selbst gedrehte Videos, in denen sich jedermann der Öffentlichkeit präsentieren konnte.

Mittlerweile hat sich hier aber eine seriöse Videodatenbank entwickelt, ein Wikipedia des Bilderuniversums, in dem sich wahre Perlen finden lassen. "Ich habe erst unlängst historische Dokumente aus dem Bereich der elektronischen Musik gesucht und während diese Dinge in Avantgarde-Katalogen nicht gelistet waren, bin ich auf YouTube fündig geworden und das war erstaunlich", erzählt Konrad Becker.

Im Besitz von Google

Nicht alle Inhalte sind aber so harmlos wie Mitschnitte moderner Musik. Meist werden mit den Bildern, wie schon erwähnt, politische oder auch wirtschaftliche Interessen verfolgt. Die großen Konzerne investieren da Unsummen, damit die richtigen Bilder an der richtigen Stelle positioniert werden. Die Imagekontrolle im Internet ist zur großen Industrie geworden.

Das wirft dann auch wieder ein anderes Licht auf YouTube, befindet sich das vermeintlich freie und nach allen Seiten hin offene Bildarchiv doch im Besitz des Großkonzerns Google. "Es ist nicht unproblematisch, dass solche Ressourcen des öffentlichen Austausches, einer Art demokratischer Agora, wenn man so will, von Bildinformationen, dass das in ausschließlich privaten Händen liegt", meint Konrad Becker.

Jedem seine eigene Suche

Seine Macht spielt YouTube aus, indem es die Suchanfragen der Benutzer filtert. Der Webaktivist Eli Pariser hat diese Strategien in einem erst im Mai erschienenen Buch aufgedeckt. In "The Filter Bubble" erklärt er, laut Untertitel, was das Internet vor seinen Nutzern versteckt. "Wenn Sie eine Google-Suche starten und ich zur selben Zeit nach demselben Begriff suche, werden wir unterschiedliche Resultate geliefert bekommen", so Eli Pariser. "Google beobachtet jeden Schritt, den sie online unternehmen und rechnet anhand dieses Materials aus, wo ihre Interessen liegen. Und danach wird dann entschieden, was Sie in Zukunft vorgesetzt bekommen. Im Gegensatz zu dem also, was seriöse Medien machen, Sie nämlich aus der Sicherheit Ihrer bestehenden Meinungen zu stoßen und Sie mit dem Unerwarteten zu konfrontieren, wird Ihnen nur gezeigt, was für Sie am relevantesten ist."

Was hilft also die Weite des Internets, wenn wir sie jedes Mal auf denselben ausgetretenen Pfaden durchqueren? Pariser fordert deshalb eine neue Gesetzgebung, die den Schutz persönlicher Daten sicherstellt. Wo in der realen Welt also ein Vermummungsverbot gilt, soll in der virtuellen Welt das Recht auf Vermummung sicher gestellt werden. Nicht das erste und sicherlich nicht das letzte Mal, dass das Internet die Wirklichkeit auf den Kopf stellt.