Friederike Mayröckers Rückzugsort

Wege der Erinnerung

Bis zu ihrem 11. Lebensjahr verbrachte die Dichterin Friederike Mayröcker ihre Sommer im elterlichen Landhaus in Deinzendorf im Weinviertel. Ein Rückzugsort der Kindheit, der sie von da an ihr ganzes dichterisches Leben lang begleitet hat.

Dazu gehörte auch ein Küchengarten, und ein "riesiger Garten" schloss an das Haus an, erzählt Friederike Mayröcker. "Meine Mutter hat dort Obstbäume gezogen. Für mich als Kind war das eine Idylle."

Melancholie mit Mundharmonika

Diese Sommeraufenthalte hat Friederike Mayröcker später immer wieder in ihren Gedichten verarbeitet. Sie beschreibt sich selbst rückblickend als träumerisches, in sich gekehrtes Kind, das ängstlich und oft allein war mit sich und der Natur. Die elegische Grundstimmung, die sie für ihr Schreiben braucht, schöpft die Dichterin bis heute aus ihren Kindheitstagen.

Gerne sei sie beim Ziehbrunnen gesessen und habe dort Mundharmonika gespielt, so Mayröcker. "Da hab' ich diese Stimmung gehabt, die dann später ausschlaggebend war für mein Schreiben-Können. Nur hab ich damals noch nicht gewusst, was diese melancholische Stimmung bedeutet."

Mit dem "Hund" die Dorfstraße hinauf

Das Bedürfnis zu schreiben, erwuchs bereits mit 14 Jahren. Immer wieder kehrt die Lyrikerin in ihren Gedichten zu Begebenheiten der Kindheit zurück. "Eine Szene, die mir immer noch im Gedächtnis ist, dass ich einen Ast, den ich irgendwo gefunden hab, hinter mir nachzog - das war mein Hund", erzählt Mayröcker. "Mit dem Hund bin ich dann die Dorfstraße hinauf - nicht weit, weil ich furchtbar ängstlich war."

Diese kindliche Phantasie hat sich Friederike Mayröcker bis heute bewahrt. Und bis heute lebt sie vor allem allein und introvertiert. Als Mayröcker elf Jahre alt war, musste die Familie den Hof verkaufen.

"Pilgerfahrten" in die Vergangenheit

Oft kehrte Friederike Mayröcker an den prägenden Ort ihrer Kindheit zurück, auch gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Ernst Jandl. Jahre später wollte sie das Haus zurückzukaufen, sie habe aber "nie das Geld zusammenbekommen, das der damalige Besitzer verlangt hat", so Mayröcker. "Da hab ich halt diese 'Pilgerfahrten' dorthin gemacht.

Eine solche "Pilgerfahrt", wie es die Dichterin nennt, hat nun die Friederike-Mayröcker-Gesellschaft initiiert. Am Samstag, 10. September 2011, sind Interessierte eingeladen, auf den Spuren von Mayröckers Kindheit durch Deinzendorf zu spazieren, den literarisch verarbeiteten Sommerwohnsitz zu erwandern und das eine oder andere sprachliche Bild der Dichterin selbst konkret wahrzunehmen. In einer abschließenden Lesung wird Friederike Mayröcker persönlich Einblicke in ihre kindliche Welt im sommerlichen Deinzendorf gewähren.