Vier Jungtalente
Interessante Debüt-CDs
Julia Lezhneva, Aleksandra Kurzak, Nino Machaidze und Olga Peretyatko präsentieren sich in ihren jeweiligen Debüt-CDs mit gemischtem Belcanto-Repertoire.
8. April 2017, 21:58
Olga Peretyatko
Es gibt es wieder etliche neue Stimmen fürs Belcanto-Repertoire, und die neuen Namen werden teils auch schon offensiv vermarktet. Von mehreren Musik-Magazinen lächelt diesen Monat verführerisch Olga Peretyatko, mit effektvoll inszenierter dunkler Wallemähne und in Rot - eine Attacke in Richtung Bartoli-Fanzirkel, obwohl die Stimme der Koloratursopranistin aus Leningrad, Jahrgang 1980, in eine ganz andere Richtung weist.
Mit ihrem "La bellezza del canto" ("Die Schönheit des Gesangs") genannten Solo-Recitals wird Olga Peretyatko ganz frisch ins Rennen um die CD-Käufer-Gunst geschickt: Einstweilen geht ihr Name vor allem den Besucher/innen des Rossini-Opera-Festival Pesaro flüssig von den Lippen, wo sie bereits 2007 (unter anderem gemeinsam mit Juan Diego Florez) in Rossinis "Otello" angenehmen, frischen Eindruck gemacht hat. Bei ihrem Plattendebüt wird die Sängerin vom alten Opern-Haudegen Miguel Gomez-Martinez und dem Münchner Rundfunkorchester unterstützt; sie singt sich unbeschwert und mit für heutige Hörerwartungen recht "soubrettigem" Ton durch Dinge wie "Lucia di Lammermoor", macht mit Dvoraks "Rusalka" und Puccinis "Rondine" auch erste Ausflüge ins lyrische Fache, aber einstweilen gelingen Stücke am besten, die mit leicht hingetupfter Koloratur zu bewältigen sind, wie Donizettis "Linda di Chamounix".
Ob Olga Peretyatko insgesamt mit dem Programm "quer durch den Gemüsegarten" (einschließlich "Fledermaus") so gedient ist, wie angesichts der PR-Anstrengungen rund um die Neuerscheinung von Seiten der Sony offenbar erwartet wird? Wo kann man Olga Peretyatko live erleben? Im November in Lyon und Paris mit Bellinis "I Capuleti e i Montecchi", aber auch im Münchner Herkulessaal kommenden Jänner. In Amsterdam steht 2012 dann ein neuer "Turco in Italia" mit ihr an - unmittelbare Rollenkonkurrenz für Nino Machaidze, die drei Jahre jünger ist und ebenfalls bei Sony unter Vertrag steht.
Nino Machaidze
In Salzburg bei den Festspielen ist Nino Machaidze, Sopran aus Georgien, seinerzeit einen Sommer lang mit großem Einsatz aus Anna Netrebkos Schatten herausgetreten, als Juliette in der Gounod-Oper. An sich war sie von Mozart und vom Belcanto hergekommen, "I puritani" mit ihr gab es 2009 in Bologna, und in Bologna ist auch eine vor kurzem veröffentlichte "Romantic arias"-CD entstanden. Mit etlichen interessanten Belcanto-Nummern: "Linda di Chamounix" und "Lucia di Lammermoor" kehren wieder, mit dem "Sonnambula"-Finale setzt sich Nino Machaidze dem unmittelbaren Vergleich mit Maria Callas aus, Bellini ist aber auch mit einer Rarität vertreten, einer Arie aus seiner Jugendoper "Adelson e Salvini".
Sonst schön gelungene Szenen wie die aus Rossinis "Turco in Italia", Nino Machaidze hat die Fiorilla ja auch im Theater an der Wien bereits gesungen, leiden freilich beträchtlich unter den permanent angespannten, grellen Spitzentönen ... Im "www" gibt es zu Nino Machaidzes "Romantic Arias"-CD einen tollen Trailer zu sehen: er fokussiert dementsprechend auf die großen romantischen "Schinken", "Roméo et Juliette" vor allem.
Wahrscheinlich ist Nino Machaidze, die immer mit großem Körpereinsatz agiert, eher ein Fall für die wirkliche Bühne, und nicht für die Klangbühne des Plattenstudios, wo sie bei den Aufnahmesitzungen mit dem Orchester des Teatro Comunale di Bologna von einem Musiker mit Zukunft betreut wurde: dem Dirigenten Michele Mariotti, der in den letzten Jahren in Italien quasi zum einzigen jungen Maestro mit Belcanto-Schwerpunkt aufgebaut wurde. Auch hätte man das Vorzeige-Album, das die Sony jetzt mit Nino Machaidze produziert hat, samt Luxus-Edition, schon eher nach dem großen Salzburger Festspiel-Erfolg der Sopranistin erwartet!
Aleksandra Kurzak
Wann immer die Frage auftaucht: "Und wer kommt nach einer Edita Gruberova?", ist Aleksandra Kurzak im Spiel. Ihren Karriereweg hin zur "Regimentstochter", der "Matilde di Shabran", neben einem Juan Diego Florez und zuletzt auch einer Lucia di Lammermoor, war mit Live-Mitschnitten und Übertragungen, bis hin zur Met und zu Covent Garden, gut mitzuverfolgen. Jetzt vertraut ihr die Decca ein erstes Opern-Solo-Album an ("Gioia", ist gleich "Freude"), mit dem in anderen Nummern, bis "Rigoletto" und "Traviata", recht bedeutungsschwanger agierenden Omer Meir Wellber am Dirigentenpult seines Orchesters von Valencia.
Die Rezensionen sind ausgezeichnet, aber man hört, wenn es nicht gerade um den mit Verve "hingelegten" Bolero aus Bellinis "Puritani" geht, auch viele verschliffene Töne nach später Moffo-Manier, und solche, die grell aus dem eigenartig abgedunkelten Rest-Klang herausstechen. (Omer Meir Wellber, der frühere Barenboim-Assistent, der auch in Wien schon zu erleben war, ab sofort als Maazel-Nachfolger Chefdirigent des prächtigen Opernhauses in Valencia, der die CD der polnischen Sopranistin allenthalben mit instrumentalen Akzenten bereichert, wird sich vermutlich in Zukunft nicht weiter mit Belcanto-Literatur aufhalten...).
Aleksandra Kurzak
Wann immer die Frage auftaucht: "Und wer kommt nach einer Edita Gruberova?", ist Aleksandra Kurzak im Spiel. Ihren Karriereweg hin zur "Regimentstochter", der "Matilde di Shabran", neben einem Juan Diego Florez und zuletzt auch einer Lucia di Lammermoor, war mit Live-Mitschnitten und Übertragungen, bis hin zur Met und zu Covent Garden, gut mitzuverfolgen. Jetzt vertraut ihr die Decca ein erstes Opern-Solo-Album an ("Gioia", ist gleich "Freude"), mit dem in anderen Nummern, bis "Rigoletto" und "Traviata", recht bedeutungsschwanger agierenden Omer Meir Wellber am Dirigentenpult seines Orchesters von Valencia.
Die Rezensionen sind ausgezeichnet, aber man hört, wenn es nicht gerade um den mit Verve "hingelegten" Bolero aus Bellinis "Puritani" geht, auch viele verschliffene Töne nach später Moffo-Manier, und solche, die grell aus dem eigenartig abgedunkelten Rest-Klang herausstechen. (Omer Meir Wellber, der frühere Barenboim-Assistent, der auch in Wien schon zu erleben war, ab sofort als Maazel-Nachfolger Chefdirigent des prächtigen Opernhauses in Valencia, der die CD der polnischen Sopranistin allenthalben mit instrumentalen Akzenten bereichert, wird sich vermutlich in Zukunft nicht weiter mit Belcanto-Literatur aufhalten...)
Julia Lezhneva und Marc Minkowski
Besonders prominente Begleitung wurde für die erste, komplett Gioachino Rossini gewidmete Solo-CD von Julia Lezhneva aufgeboten: Marc Minkowski, mit der Sinfonia Varsovia, seinem zweiten Orchester neben den angestammten Musiciens du Louvre. Noch weiß man bei Julia Lezhneva nicht recht, ob sie nun Sopran ist oder Mezzosopran, was aber gerade bei Rossini-Literatur im Grunde nichts ändert.
22 Jahre alt ist Julia Lezhneva, Rossini-Guru Alberto Zedda hat sie protegiert, und Marc Minkowski, zuletzt bei dem Vernehmen nach epochalen, weil ungekürzten Aufführungen von Meyerbeers "Hugenotten" in Brüssel, mit - unglaublich! - Julia Lezhnevas Bühnendebüt als Page Urbain. Einmal keinen bullig aufmunitionierten Kampf-Mezzo zu hören mit Rossini-Glanzstücken wie dem "Tanti affetti"-Finale aus "La donna del lago", sondern eine weiche, flexible, schartenlose Stimme, das macht Freude und ergibt eine Musiknummer zum Immer-wieder-Hören.
Allerdings ist das (titellose) Album dann doch noch ziemlich uneben ausgefallen: Neben Großartigem stehen Stücke mit gequetschten Hoch-Tönen; bei "La Cenerentola" passieren Julia Lezhneva total vernudelte Koloraturen. Nur Marc Minkowski verblüfft bis zuletzt: Sonst ist er so ein musikalischer Kugelblitz - und gerade bei Rossini, der zu diesem Zugang einladen würde, setzt er über weite Strecken auf Beschaulichkeit. Nach dem immens erfolgreichen Meyerbeer steuert Minkowski seinen ersten Verdi an, "Il trovatore". Überraschungen nicht ausgeschlossen!
Service
Olga Peretyatko, "La bellezza del canto", Sony
Nino Machaidze, "Romantic arias", Sony
Aleksandra Kurzak, "Gioia!", Decca
Julia Lezhneva, Rossini, naive
Olga Peretyatko
Nino Machaidze
Aleksandra Kurzak
YouTube - Julia Lezhneva, Rossini
YouTube - Nino Machaidze - "Romantic Arias"
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