"Noch immer aktuell"
Kroetz' "Maria Magdalena" in Linz
Seine sozialkritischen Stücke - wie etwa "Heimarbeit", "Hartnäckig" oder "Stallerhof" - machten den Münchner Autor und Schauspieler Franz Xaver Kroetz in den 1970er Jahren zu einem der meistgespielten deutschsprachigen Dramatiker. Das Linzer Theater Phönix startet nun mit seiner Bearbeitung des Klassikers "Maria Magdalena" in die Herbstsaison.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 13.09.2011
Ein junges Mädchen, ungewollt schwanger, vom Vater des Kindes im Stich gelassen und von strengen Moralvorstellungen unter Druck gesetzt, steuert geradewegs auf eine Katastrophe zu. Friedrich Hebbels bürgerliches Trauerspiel, entstanden 1843, ist aus dem Deutschunterricht kaum wegzudenken.
Franz Xaver Kroetz hat das Stück in die 1970er Jahre verlegt. Inmitten von Plüschmöbeln, befransten Stehlampen und grob gemusterten Tapeten rebelliert die junge Mutter am Linzer Theater Phönix gegen die miefige Enge der Kleinstadt, in der die sexuelle Revolution nie angekommen ist.
"Eine Kleinstadt ist eine Kleinstadt"
Auch wenn ab 1968 in allen Großstädten der Welt eine junge Generation auf die Straße geht, um gegen Krieg, für freie Liebe und für eine Gleichberechtigung von Mann und Frau zu kämpfen, in der Kleinstadt zählt einzig und allein das böse Getuschel der Nachbarn.
"Die Mama sagt irgendwann: 'Eine Kleinstadt ist eine Kleinstadt und keine Großstadt.' Das ist die Moral, die dahintersteckt", sagt die in München geborene Regisseurin Esther Muschol, die zuletzt Juli Zehs Theaterstück "Der Kaktus" am Theater Phönix in Österreich erstaufgeführt hat. Sie belässt Franz Xaver Kroetz' "Maria Magdalena" ganz bewusst in den 1970er Jahren:
"Mir war wichtig, dass das Stück heute funktioniert, obwohl es in den 70ern spielt", so Muschol. Sie wollte die "Wurzeln frei legen", die "Umstände, aus denen man kommt". Sehr viel aus den 70ern sei eben heute noch gültig.
Lustig und traurig zugleich
Franz Xaver Kroetz hat aus Hebbels bürgerlichem Trauerspiel eine groteske Komödie gemacht. "Es bleibt trotz allem eine Tragikomödie; das sind die besten Komödien", findet Muschol. "Ich denke, das ist eine Frage der Weltsicht. Man kann dieselbe Geschichte sehr traurig und sehr lustig erzählen."
"Maria Magdalena" von Franz Xaver Kroetz feiert am Donnerstag, 15. September 2011, am Linzer Theater Phönix Premiere und erinnert auf eindringliche Weise daran, dass auch heute, in unserer vermeintlich modernen Zeit, weibliche Selbstbestimmung oftmals nur eine Illusion ist.
Textfassung: Ruth Halle
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Franz Xaver Kroetz, "Maria Magdalena", ab 15. September 2011, Theater Phönix Linz,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).
Theater Phönix