Turbulenzen vor Wahl in Russland
Kleinpartei vom Kreml sabotiert?
Im Dezember wird in Russland ein neues Parlament gewählt, und der Wahlkampf hat gleich mit einem Skandal begonnen: Der Vorsitzende der liberalen Oppositionspartei "Rechte Sache" ist aus der Partei ausgetreten. Der Kreml habe die Partei sabotiert, sagt er. Auch sonst deutet wenig auf freie Wahlen hin.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 16.9.2011
Markus Müller
Regierungskritische Ideen
Michail Prochorow, mit einem Besitz von 18 Milliarden Dollar drittreichster Mann des Landes, hatte die Partei "Rechte Sache" erst vor zwei Monaten übernommen und sollte daraus eine rechtsliberale Kraft machen - mit Zustimmung oder sogar im Auftrag des Kreml, waren sich die meisten Beobachter einig.
Doch Prochorow versuchte sich mit regierungskritischen Ideen zu profilieren. Das sei der Grund, warum der Kreml ihn sabotiert habe, sagt Prochorow.
"Druck auf Massenmedien"
"In unserem Land gibt es einen Strippenzieher, der das politische System übernommen hat und die Führung mit falschen Informationen in die Irre führt. Er übt Druck auf die Massenmedien aus, schleust seine Leute ein und manipuliert die öffentliche Meinung. Ich rede von Wladislaw Surkow, dem stellvertretenden Leiter des Stabes des Präsidenten, und ich werde dafür kämpfen, dass dieser Mann zurücktritt", so Prochorow.
Nur "genehme" Parteien
Auf die Frage, ob nicht Surkow, sondern in Wirklichkeit Wladimir Putin hinter der Intrige stecke, meinte Prochorow übrigens nur: "Ich hoffe nicht." Die Regierungspartei "Einiges Russland" hat so auf jeden Fall einen Konkurrenten weniger.
Und das, obwohl sowieso nur genehme Parteien zugelassen sind: die Liberaldemokraten von Wladimir Schirinowski, einem langjährigen gefügiger Partner des Kreml, außerdem die Partei "Gerechtes Russland", die überhaupt vom Kreml erfunden wurde, die Russischen Patrioten, die ebenfalls dem Kreml zugerechnet werden können, und als einzige einigermaßen unabhängige Kraft die Kommunisten.
Wahlbeobachter der OSZE?
Andere Parteien wie "Parnass der echten Oppositionellen" von Wladimir Ryschkow wurden gleich von Beginn an von der Wahl ausgeschlossen, angeblich aus formalen Gründen. Gestritten wurde in den letzten Tagen, ob die OSZE Wahlbeobachter nach Russland schicken darf oder nicht.
Bei den letzten Präsidentschaftswahlen wurde die OSZE praktisch ausgeschlossen, wohl aus Angst vor einer schlechten Beurteilung der Wahl. Niemand zweifelt daran, dass "Einiges Russland" deutlich mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichen wird.
Schicksal Chodorkowskis?
Der einzige mögliche Unsicherheitsfaktor war bisher das Abschneiden der Partei "Rechte Sache" von Michail Prochorow - die sich jetzt gefällig in Luft aufgelöst hat.
Prochorow hat übrigens angekündigt, in der Politik bleiben zu wollen, auch wenn er nicht an der Wahl teilnehmen kann. Doch viele sehen ihn bereits an der Seite eines anderen Ex-Oligarchen: Michail Chodorkowski, der noch bis 2015 in einem Straflager in Karelien sitzen wird.