Die "Café Sonntag"-Glosse von Leo Lukas

Aus der Wunderwelt des Reisens

Nie wurde so viel so weit gereist wie heutzutage, was sicher seine guten Seiten hat, von wegen Völkerverbindung, aber schon auch negative Nebenwirkungen.

Beispielsweise produziert allein die europäische Flugindustrie täglich einen Kohlendioxid-Ausstoß von rund 360.000 Tonnen. Zum Vergleich: Der isländische Vulkan Eyjafjallajökull brachte es an seinen aktivsten Tagen gerade einmal auf 15.000 Tonnen, rund vier Prozent davon; er hat durch seine kurzfristige Behinderung des Flugverkehrs also sogar die CO2-Belastung reduziert. Da wir gerade beim Rechnen sind: Würde auf Flugzeugbenzin Mineralölsteuer eingehoben, könnte die österreichische Finanzministerin vom Ertrag über drei Millionen ÖBB-Vorteilscards gratis unters Volk bringen.

Tja, "steuern" bedeutet, das vergisst man leicht, auch lenken und verteilen. Apropos. Unsere bekannt zitaten- und geschmackssichere, gern zur "granitenen Lady" hochstiliserte Finanzministerin dachte sich wohl, "Wenn eine eine Reise tut, darf sie auch was erzählen", und verglich im fernen Polen das Ansinnen, ein paar Promille der in den letzten Jahrzehnten exorbitant gewachsenen Privatvermögen um- oder besser rückzuverteilen, kurz: die zaghaften Rufe nach einer Reichensteuer mit der Judenverfolgung unter Hitler. Worauf die sogenannte bürgerliche Presse, beeindruckend geschlossen, voller Empörung in meist mehrseitigen Artikelstrecken beinhart anprangerte, ... dass die ÖBB in anderen, eher plebejischen Druckwerken zu viele Inserate geschaltet habe.

Hsss ... Ein Schelm, der Übles dabei denkt, und ich bin Schelm von Beruf.
Außerdem, zurück zum Thema, quasi Retourkutsche, bin ich leidenschaftlicher Bahnreisender. Jüngst - übrigens ein Wort, das paradoxerweise zu veralten droht - jüngst erzählte mir eine Speisewagenbekanntschaft, dass in Hamburgs öffentlichen Verkehrsmitteln die Durchsagen von verschiedenen Sprechern, darunter auch Kinderstimmen, getätigt werden, was ich für eine sehr nette Idee halte. Just (!) in diesem Moment fuhr unser Zug in Meidling ein, und aus den knatternden und knarzenden Boxen ertönte des Schaffners melodisches Organ: "Wiiien-Mädlllinnng, Wiiien-Mädlllinnng ..."

Wir waren gerührt. Und flugs (!) uns einig, dass dieses Beispiel Schule machen sollte. Weg mit dem Einheits-Hochdeutsch, das eh nur ein überschätzter hannoveranischer Dialekt ist! Wir fordern mehr Lokalkolorit! Native speakers an die Front! Um wie viel heimeliger klingt doch: "Station Thaliastraße. Du voll krass flott aufhupfta von Sitzplatz, wenn einsteigt Oma, Fußmaroder oder Angepemperte!"

Stracks fielen uns weitere Beispiele ein: "Griass Goutt in Laeioubm! Eanare nextn Aunschlüsse: Stejckdousn ejn da Baunhoufsresti, Ejntanet ejm Café Büxnöiffna." - Oder: "Herzlihh Wiilkomen in Kloognfuad Haupponhoof. Obfoahd dees Indasiti 'Einmonnchor Grenzlondstein' nohh Villah, won da grose Zaaga am Ansa und da klaane lei gonds undn iis."

H-hm. Nachsatz: Okay, Kärntnerwitze sind unfair. Schließlich sollte das Objekt des Spotts jenen auch als solchen verstehen können. Aber seien Sie versichert, einige meiner besten Freunde sind Kärntner. Sie leben bloß nicht mehr dort.