Bühnenstück in der Kinoversion

Das Frankenstein-Projekt

Der ungarische Regisseur Kornel Mundruczo ist regelmäßiger Gast bei den Wiener Festwochen und schockierte hier mit trashigen Gewalt- und Sexszenen. 2010 hat er sein Bühnenstück "Das Frankenstein-Projekt" auf die Leinwand gebracht und wurde damit nach Cannes eingeladen. Jetzt läuft der Film in Österreich an. Im Ö1 Interview spricht Mundruczo über "Tender Son - Das Frankenstein-Projekt" und seine politische Aussagekraft.

Kulturjournal, 22.09.2011

Wolfgang Popp: In einem Interview haben sie gemeint, dass ein Monster immer ein Produkt der Gesellschaft ist, in der es lebt. Betrachten sie Ihren Film damit als Antwort auf die derzeitige politische Situation?
Kornel Mundruczo: Ja, absolut. Ich bin überzeugt, dass wir Monster hervorbringen. Mich interessiert etwa die Frage, wie unser Bankensystem die Menschen prägt. Dass die Gesellschaft für Ihre Monster verantwortlich ist, stellt aber ein globales Problem dar und so war es auch schon in Shelleys Roman angelegt. Damals, in der Romantik, als die Gesellschaft begann, erwachsen zu werden, ging es bereits um diese Frage. Heute habe ich übrigens das Gefühl, dass unsere Gesellschaft nicht mehr allzu erwachsen agiert. Die zentrale Frage bleibt aber: Ist wirklich nur der der Mörder, dem das Blut an den Händen klebt?

Beziehen sie sich damit auf die Situation weltweit oder geht es ihnen ganz konkret um die Lage in Ungarn?
Ich bin Ungar, ich arbeite in Ungarn und meine wichtigsten Themen hole ich mir von dort. Dieses Problem halte ich aber für ein globales, denn egal wohin ich komme, merke ich, dass das Publikum die Frage, die mein Film aufwirft, sofort versteht. Natürlich ist die Lage in Osteuropa nochmal eine andere, weil die Armut und die extremen politischen Entwicklungen das Klima noch einmal verschärfen.

Sie haben auch gemeint, dass der Schauplatz ihres Films, dieses verfallene Haus, einen Spiegel darstellt für die derzeitige Situation in Ungarn. Wie haben sie das gemeint?
Als ich dieses Haus fand, kam es mir auf Anhieb wie ein Symbol für Budapest und für Ungarn vor. Es ist ein klassisches aber leer stehendes Gebäude, wir wissen deshalb auch nichts über seine Zukunft und darüber, mit welchen Bedeutungen es demnächst beladen wird. Wird es renoviert und im alten Erscheinungsbild neu auferstehen oder wird es abgerissen und völlig neu errichtet oder wird es einfach in Vergessenheit geraten. Es steht also ein großes Fragezeichen über diesem Haus. Und dieses unübersichtliche Labyrinth schien mir deshalb auch der perfekte Schauplatz für meinen Film zu sein.

Der junge Gewalttäter trägt Schwarz und seine Haare sind kurz geschoren, er erinnert in seinem Aussehen also an einen Neonazi. War das eine Anspielung auf den Rechtsruck in Ungarn?
Wir wollten ihn tatsächlich mit gewissen Stereotypen aufladen und damit die Ängste der Gesellschaft an ihm sichtbar machen. Der Zuschauer muss jetzt seine Angst überwinden, um das Monster als gewöhnlichen jungen Mann betrachten zu können. Und dann stellt sich auch schon die Frage, wie wir mit der Verantwortung umgehen, dass wir aus diesem jungen Mann ein Monster gemacht haben. Das Problem ist einfach, dass durch Stereotypisierung Minderheiten aber auch politische Situationen mit Angst aufgeladen werden.

Von ihrem Film zur Filmförderung - wie sieht es denn damit derzeit aus in Ungarn?
Es ist nicht einfach. Die neue Regierung hat das Kulturbudget und damit auch das Filmbudget radikal beschnitten. Die wichtigste staatliche Filmförderstelle wurde zudem von der neuen Regierung wegen Korruptionsvorwürfen völlig geschlossen, ohne dass ein neues Fördersystem geschaffen worden wäre. Erst vor zwei Tagen ist eine neue staatliche Filmförderung aus der Taufe gehoben worden.

Ich wollte meinen neuen Film eigentlich wieder auf Ungarisch drehen, war durch diese Situation aber gezwungen, mein Drehbuch auf Englisch zu schreiben und nach einer internationalen Finanzierung Ausschau zu halten. Ich weiß nicht, ob es jetzt wieder möglich ist auf Ungarisch und in Ungarn zu drehen und diese Unsicherheit ist sehr frustrierend.