... Und vergib uns unsere Schuld(en) - wie vertrauenswürdig ist unser Geldsystem?
Die Schuldenkrise einiger europäischer Staaten hat das Vertrauen in das gesamteuropäische Geldsystem erschüttert. Expertinnen und Experten nahmen dazu Stellung.
21. August 2018, 21:46
Rückblickend auf das Jahr 2011 wird sich nicht nur der griechische Finanzminister an das bekannte Wort von Johann Nestroy erinnern: "Die Phönizier haben das Geld erfunden - aber warum so wenig?" - Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit. Denn im Finanzkapitalismus ist Geld immer vorhanden, nur die Taschen wechseln. So sind die Schulden der einen, immer die Kapitalvermögen der anderen. Dennoch hat die Schuldenkrise einiger europäischer Staaten das Vertrauen in das gesamteuropäische Geldsystem erschüttert.
Vertrauen ist wohl der zentrale Wert in allen menschlichen Beziehungen, beginnend vom Selbstvertrauen, dem Vertrauen in Familie und Partnerschaft, bis hin zum Wirtschafts- und Finanzwesen. Mit Misstrauen lässt sich keine Beziehung aufbauen, kein Staat machen und auch keine Wirtschaft betreiben. Die entstandene Vertrauenskrise könnte zu einer ernsten Gefahr für die gesamte Gesellschaft, die Wirtschaft und den Staat werden. Längst ist Geld nicht mehr allein ein nützliches Tauschmittel, um Wirtschaftskreisläufe in Gang zu halten. Es ist zum Spekulationsobjekt geworden, in einem System, das sogar mit den Schulden anderer noch Handel treibt.
Geld hat mehr mit Glauben und Vertrauen zu tun, als man auf den ersten Blick annimmt. Wer mit Geld zu tun hat, ist Schuldner und Gläubiger. Kredit geht auf das lateinische Verbum "credere" - "glauben" zurück. Wer einen Kredit aufnimmt, glaubt, die Geldschuld einmal begleichen zu können. Auch der Kreditgeber vertraut - normalerweise nach Kontrolle der Zahlungsfähigkeit - darauf, dass die Schuldner den vorgestreckten Betrag - vermehrt um die Zinsen - wieder zurückzahlen. Banken leben von diesem Vertrauen ebenso wie alle, die bei ihnen Geld anlegen oder sich von ihnen Geld leihen. Hektisch wurde und wird heute nach Schuldigen für die entstandenen Schulden gesucht: aufgeblähte und reformunwillige Staaten, verantwortungslose Politiker, profitorientierte Systembanken, das Zinssystem, die Geldpolitik der Notenbanken, unzureichende Finanzmarktregulierung, die Rating-Agenturen oder jüngst die von neoliberalen Denkern ins Spiel gebrachte "Gier der kleinen Leute".
Eine irrationale Sündenbockjagd prägt die öffentliche Debatte. Der vernünftige Blick auf die systemischen Probleme unseres Geldsystems fehlt ebenso wie mutige Finanzmarktreformen und demokratisch legitimierte Ethik-Standards. In der Bevölkerung wissen nur wenige, was mit ihrem Geld passiert, wohin es fließt und was es bewirkt. Dieses Unwissen verstärkt die Fehlentwicklungen am Finanzmarkt. Bereits existierende Alternativen der ethischen Geldveranlagung bleiben so schwach wachsende Nischenprodukte.
Wie kann die Schuldenkrise bewältigt werden? Wie (un)sicher ist unser Geld heute? Wird es seinen Wert behalten? Welchem Geld (-system) und welchen Akteuren können wir heute vertrauen? Welche Formen der Geldanalage sind noch empfehlenswert? Welche Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle des Finanzsystems sind denkbar? Was können Gesellschaft und Politik tun, um Geld in eine positive Dienstfunktion für die Realwirtschaft und die Gemeinwohlorientierung zu bringen?
Es diskutierten Gertrude Tumpel-Gugerell, Bankdirektorin, OENB, 2003 bis Mai 2011 Mitglied des Direktoriums der EZB; Ludwig Schuster, Architekt, Komplementär-Währungsexperte, Gründer der Agentur REGIOprojekt e.V. Berlin; Markus Schlagnitweit, Theologe und Sozialwissenschaftler und Stephan Schulmeister, Volkswirtschaftler am WIFO in Wien unter der Leitung von Johannes Kaup.
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Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Bankhaus Schelhammer & Schattera.
Service
... Und vergib uns unsere Schuld(en) - wie vertrauenswürdig ist unser Geldsystem?
Donnerstag, 17. November 2011
18:30 Uhr
Großer Sendesaal
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